Die folgende Geschichte spielt sich in einem kleinen Dorf ab, das in einem weiten Land zwischen vielen Birkenwäldern liegt. Die Menschen in der Siedlung arbeiten hart und müssen viel Leid und Ungerechtigkeiten ertragen. Auch die kleine Lisa kämpft sich tapfer durch das Leben. Sie hat ihr ganz persönliches, schweres Päckchen zu tragen.
Wir schreiben das Jahr 1958.
Wie so oft wird Lisa mitten in der Nacht wach. Sie hat etwas geträumt, kann sich allerdings nicht mehr erinnern, was es war. Sie weiß nur – es war schlimm; der Albtraum nahm ihr Herz in den eisernen Griff und jetzt, wieder befreit, schlägt es schnell und hämmernd in ihrer Brust.
Lisa hat im Schlaf geweint und spürt noch die Nässe im Gesicht. Ein Schluchzen entfährt ihr, als sie tief ein- und ausatmet. Ihr Herz beginnt sich allmählich zu beruhigen.
Da hört sie eine Stimme, die nicht von außen zu kommen scheint, sondern direkt in ihrem Kopf sitzt: „Hallo, Lisa!“
Das Mädchen hält den Atem an und lauscht angestrengt in sich hinein. Aber sie hört nur das gewohnte leise Schnaufen und Schnarchen ihrer Geschwister. Dann dreht sie sich auf den Rücken. Es ist nicht ganz düster im Zimmer. Der Mondschein von draußen hinterlässt einen hellen Streifen auf dem Holzfußboden und erfasst auch die dunkle Gestalt, die auf dem Rand des Bettes sitzt.
„Hab‘ keine Angst“, sagt erneut die Stimme in Lisas Kopf. Ohne es begründen zu können, weiß das Mädchen sofort, dass sie zu dieser Erscheinung gehört.
Das Kind hat gar keine Angst – der Fremde ist zwar vollständig in Schwarz gehüllt, aber überhaupt nicht furchterregend.
„Wer bist du? Was machst du hier?“, flüstert Lisa erstaunt.
„Ich bin gekommen, um dir deinen größten Wunsch zu erfüllen“, antwortet die wohlklingende Stimme. „Du hast doch einen?“
Lisa setzt sich langsam auf und schaut die Gestalt an. Dann schüttelt sie den Kopf und raunt: „Das kannst du nicht. Das kann nicht mal der liebe Gott.“
Ein plötzlicher Verdacht kommt in ihr auf und sie fragt vorsichtig: „Du bist doch nicht Gott?“