Oerlinghausen. Anfang Oktober 2016 trafen sich 24 Autoren des Literaturkreises der Deutschen aus Russland e.V. zur Tagung und zur Jahresversammlung des Vereins in der Villa Welschen in Oerlinghausen bei Bielefeld. Während der Workshops am 1. Oktober arbeiteten die Autoren in zwei Gruppen. Die Gruppe der Russisch-schreibenden Autoren leitete Larissa Uljanenko, die im Verein für die Redaktion des russischsprachigen Literaturalmanachs zuständig ist. Das Thema ihres Workshops war die Redaktion eigener Texte. Die Autoren bekamen hilfreiche Ratschläge und durften diese direkt im Workshop an ihren Texten anwenden. In der Gruppe der Deutsch-schreibenden referierte zunächst die diplomierte Übersetzerin aus Berlin Carola Jürchott, die bereits Lehraufträge an der Humboldt-Universität hatte, über die Möglichkeiten der Darstellung des Lokalkolorits und seiner Wiedergabe bei der Übersetzung und beim Verfassen von literarischen Texten.
Artur Böpple sprach in seinem Referat über die dramaturgischen Besonderheiten eines Romans und am Nachmittag gewährte die erfolgreiche russlanddeutsche Autorin Eleonora Hummel einige hochinteressante Einblicke in ihre literarische Werkstatt. Nach ihrem Vortrag beantwortete sie die Fragen der Teilnehmer.
Am gleichen Tag abends fand im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold eine Lesung mit ausgewählten Autoren statt, die dem 75. Jahrestag der Deportation der Deutschen nach Sibirien, Kasachstan etc. gewidmet war und in Kooperation mit dem genannten Museum sowie dem Kulturrat der Deutschen aus Russland e.V. durchgeführt wurde. Nelli Kossko präsentierte ihr neues in Moskau erschienenes Buch „Судьбы нетканое полотно» – ihre eigene Übersetzung aus dem Deutschen ihrer bekannten Trilogie „Quadratur des Kreises“.
Renate Blauth, die 1942 in Vechta (Niedersachsen) geborene Autorin, präsentierte ihr viertes, 2015 erschienenes Buch „Wilder Wermut“ – eine Erzählung über den Großvater Johannes, dessen Lebensgeschichte stellvertretend für die vielen schweren Schicksale der Deutschen in Russland steht. Eine Geschichte über Menschen und ihr Leben voller Leid und Unterdrückung. Über Menschen, die trotz aller Hindernisse ihren Mut niemals ganz verloren und ihren Rückhalt in den Familien gefunden und daraus stets neue Kraft und Hoffnung geschöpft hatten.
Agnes Gossen-Giesbrecht trug das Gedicht „Verlassene Räume, verlassene Orte“ vor und außerdem einen Auszug aus den von ihr selbst aufgeschriebenen Erinnerungen ihres Vaters, der als 15-jähriger nach Sibirien deportiert worden war. Katharina Kucharenko stellte ihr neues Buch „Ein kleines Stückchen Glück“ vor, das von ihrer Kindheit während der Kriegsjahre und danach in der Ukraine handelt.
Die junge aufstrebende Autorin Katharina Martin-Virolainen präsentierte auf sehr ausdrucksstarke Weise ihre Erzählung „Auf den Spuren des Nordlichtes“. Die Geschichte „Gesprengte Kindheit“ von Maria Schefner schien das Publikum besonders berührt zu haben. Sie handelt von den Erinnerungen eines Kindes an die Schrecken des Krieges.
Als Höhepunkt der gemeinsamen Lesung durfte das Publikum Eleonora Hummel erleben, die bereits drei erfolgreiche Bücher veröffentlicht hat. Die mit mehreren Preisen und Stipendien ausgezeichnete Autorin (u.a. Chamisso-Preis und Heinrich-Heine-Stipendium der Stadt Lüneburg) stellte ein Kapitel aus ihrem neuen Buchprojekt über das russlanddeutsche Theater in Kasachstan vor. Artur Böpple, der Vorsitzende des Literaturkreises, machte das Publikum mit seinen neuen Gedichten bekannt und war außerdem Moderator der Lesung. Am Ende bedankte er sich bei allen Beteiligten für die gelungene Kooperation – insbesondere bei der Museumsleitung, die diese Veranstaltung ermöglicht hatte – und überreichte Ehrenurkunden des Literaturkreises der Deutschen aus Russland an Frau Dr. Katharina Neufeld, Eleonora Hummel und Nelli Kossko für ihr beispielhaftes, langjähriges Engagement und ihren Einsatz für die Weiterentwicklung, Förderung und Pflege der russlanddeutschen Literatur und Kultur. Diese drei verdienstvollen Persönlichkeiten wurden damit zu Ehrenmitgliedern des Literaturkreises ernannt.
Musikalisch wurde die Lesung von dem begabten Sänger und Vorsitzenden des Kulturrates der Deutschen aus Russland Dimitri German umrahmt. Seine Lieder „Die Verbannten“ und „Der Fremde“ passten thematisch ausgezeichnet zu den dargebotenen Texten. Nach der Lesung im Museum trafen sich die Autoren wieder in der Villa Welschen zum lockeren Austausch und Gesprächen.
Am Sonntag, dem 2. Oktober, fand die Jahresversammlung des Vereins statt. Mit einer Gedenkminute wurde der verstorbenen Kollegen Kurt Hein und Gottlieb Eirich gedacht. Nach dem Bericht des Vorsitzenden über die letzten Aktivitäten des Literaturkreises, der Aufnahme von drei neuen Mitgliedern, dem Bericht der Kassiererin Elena Dumrauf-Schröder und Entlassung des alten Vorstands fanden Neuwahlen statt. Artur Böpple wurde als Vorsitzender für zwei weitere Jahre bestätigt. Ebenso Elena Dumrauf-Schröder als Kassiererin des Vereins.
Mit großer Begeisterung wurde Nelli Kossko, die den Literaturkreis 1996 mitgegründet und dann zeitweise lange in Bulgarien gelebt hatte, in den Verein wiederaufgenommen. Sie wurde zudem einstimmig zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Sichtlich gerührt von der herzlichen Atmosphäre des Autorentreffens und dem ihr entgegengebrachten Vertrauen nahm sie die Wahl an.