Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser, unser Sprachblog soll keineswegs zur Lebenshilfe mutieren, wie man bei der Überschrift vielleicht vermuten könnte. Es geht hier nach wie vor um sprachliche Stolpersteine bzw. vielmehr darum, wie man sie möglichst effektiv vermeiden kann. Auch das kann mitunter eine Frage der richtigen Partnerwahl sein.
In diesem Blog war bereits davon die Rede, dass bestimmte Begriffe gar nicht so spezifisch russisch oder noch eher sowjetisch waren, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. In diesem Zusammenhang habe ich bereits aus dem Nähkästchen des Übersetzers geplaudert. Kürzlich ist mir jedoch beim Lesen eines deutschlandweit bekannten und rezensierten Bestsellers aufgefallen, dass das gar nicht nur zur Debatte steht, wenn von einer Sprache in eine andere übersetzt wird, sondern auch, wenn vermeintlich nur mit einer einzigen Sprache operiert wird. „Vermeintlich“ sage ich deshalb, weil dieses Argument spätestens dann nicht mehr greift, wenn in einem einsprachigen Text verschiedene Kulturen zum Tragen kommen.
Hier ist es für Autoren und Verleger mehr als ratsam, bei der Wahl der Lektoren und Korrektoren darauf zu achten, dass auch diese Personen mit den jeweiligen kulturellen Hintergründen (und zwar mit allen beschriebenen) vertraut sind, um peinliche Fehlleistungen zu vermeiden.
Dann würde man beispielsweise wissen, dass die überaus beliebte russische Trickfilmfigur im Deutschen nicht „Tschiburaschka“ heißt, sondern „Tscheburaschka“ oder, wenn man sich an der DVD des entsprechenden Films orientiert, „Cheburashka“. (Dass in der DDR auch einmal eine Buchausgabe erschienen ist, in der das arme Wesen gar nicht so große Ohren hatte und als „Plumps“ betitelt wurde, lassen wir hier einmal geflissentlich unter den Tisch fallen, weil sich diese Bezeichnung zum Glück nicht durchgesetzt hat.)
Dass die staatliche Schallplattenfirma „Melodija“ hieß und niemals mit „Melodie“ übersetzt wurde, hätte bei einem solchen Korrekturdurchgang auch auffallen müssen, ebenso wie die Tatsache, dass Deutsche, die einen schwarzen „Tschaika“ durchaus als Auto kennen, nichts damit anfangen können, wenn jemand in seine „weiße Möwe“ steigt und diese zwischendurch auch immer wieder als GAZ-13 bezeichnet wird.
Auch Krimsekt hat es in Deutschland zu den verschiedensten Zeiten gegeben, und niemand würde hier auf die Idee kommen, ihn „Krimchampagner“ zu nennen, und das nicht nur aus markenrechtlichen Erwägungen.
Wer sich für die jüngere Geschichte interessiert, weiß natürlich, dass der NKWD im Deutschen auch kein Unbekannter und dass auch sein Nachfolger, der KGB, hier männlich ist. Unter dem Stichwort „MVD“ findet man jedoch im besten Fall den Begriff „Mittlere Verweildauer“ für die Abrechnung von Krankenhausaufenthalten. Das Innenministerium, das in diesem Fall eigentlich gemeint war, fällt unter dieser Abkürzung keinem deutschen Muttersprachler ein.
Deshalb denke ich, dass auch Autoren, verschiedene Kulturgemeinschaften beschreiben und sich darin bewegen, selbst darauf achten sollten, wem sie ihre Werke anvertrauen, damit das Endprodukt auch den Ansprüchen derer genügen kann, die sozusagen Grenzgänger zwischen den einzelnen Welten sind und auch den kleinsten Fehler bemerken würden. Glauben Sie mir – diese Menschen gibt es, sowohl unter den Lesern als auch unter den Lektoren!
Carola Jürchott