Liebe Leserinnen und Leser, diejenigen unter Ihnen, die diesen Blog schon länger verfolgen, wissen, dass ich gern aus dem Nähkästchen plaudere, und wie immer dreht es sich dabei auch in diesem Fall nicht um zwischenmenschliche Beziehungen, in denen die in der Überschrift gestellte Frage durchaus von erheblicher Relevanz sein kann. Nein, ich möchte wieder etwas aus meiner Erfahrung beim Lektorieren und Korrigieren von Büchern erzählen, die in deutscher Sprache geschrieben wurden und erscheinen.
Seit der Rechtschreibreform der 1990er-Jahre habe ich, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, das Problem, dass ich viel häufiger im Duden nachschlagen muss als früher, weil einige der Regeln, die knallhart galten, als ich noch zur Schule ging, inzwischen aufgeweicht oder durch andere, undurchsichtigere, ersetzt wurden, die zudem auch in neueren Duden-Ausgaben wieder geändert wurden. Dennoch verhilft mir auch diese Notwendigkeit immer wieder zu neuen Erkenntnissen, von denen ich einige gern mit Ihnen teilen möchte.
So las ich unlängst von zwei Kindern, die sich auf den „naheliegenden Spielplatz“ begaben. Hier sagte mir meine eigene Intuition, dass es zwar durchaus naheliegend ist, dass Kinder auf einen Spielplatz gehen, dass es aber noch besser wäre, wenn dieser auch nahe gelegen wäre. Der Duden bestätigte meine Vermutung: Das Adjektiv „naheliegend“ hat in der im Duden unter diesem Stichwort verzeichneten Bedeutung tatsächlich keinerlei lokale Komponente, sondern bedeutet „einleuchtend, sich beim Überlegen sogleich einstellend“, während „nahe gelegen“ etwas bezeichnet, das sich in der Nähe befindet. Interessant ist allerdings, dass unter dem Stichwort „nahe“ im Duden auch „ein nahe liegendes Gehöft“ angegeben ist, wobei hier allerdings die getrennte Schreibweise empfohlen wird.
Ähnlich verhält es sich mit dem schönen Begriff „frisch gebacken“. Stutzig wurde ich, als ich von einem „frischgebackenen“ Brot las. Sollte das tatsächlich noch zusammengeschrieben werden? Sie ahnen es vermutlich: in diesem Zusammenhang natürlich nicht, denn unter diesem Stichwort ist nur die Bedeutung „erst kürzlich dazu geworden“ angegeben. So kann ein Brot zwar von einem frischgebackenen Bäckergesellen gebacken worden sein, dann ist es aber – zumindest laut der Empfehlung des Dudens an entsprechender Stelle immer noch „frisch gebacken“.
Der dritte Satz, der mir kürzlich einen Blick in den Duden bescherte, war die Aussage, jemand habe „versucht, einen Findling beiseitezuschieben“. Auch hier hatte ich wieder dieses ungute Gefühl, in der Getrennt- und Zusammenschreibung nicht mehr sicher genug zu sein, um den Satz einfach „durchzuwinken“, wie man so schön sagt. Und siehe da: Für „beiseiteschieben“ als Verb gibt der Duden nur die Bedeutung „verdrängen, absichtlich nicht berücksichtigen an“ an. Nun kann man zwar einen Findling durchaus absichtlich nicht berücksichtigen, verdrängen im physikalischen Sinne oder gar wirklich „beiseite schieben“ kann man ihn damit allerdings noch lange nicht.
Sie sehen also, mit der Getrennt- oder Zusammenschreibung ist es so eine Sache. Sie kann, was den Sinngehalt der entsprechenden Aussagen betrifft, zumindest zu Missverständnissen führen, wenn nicht gar zu Sinnentstellungen. Der Fairness halber muss allerdings gesagt werden, dass der Duden in einigen Fällen die Getrenntschreibung der jeweils zweiten Varianten dieser Beispiele zwar empfiehlt, die Zusammenschreibung aber dennoch zulässt, was es bei Weitem nicht einfacher macht.
Carola Jürchott