Wenn Demonstratives zu demonstrativ wird

Demonstrationen entsprechen dem Zeitgeist – daran besteht kein Zweifel, und natürlich macht der Zeitgeist auch vor der Sprache nicht halt. Dennoch ist es hier wie so oft im Leben: Zu viel des Guten kann leicht ins Gegenteil umschlagen. Und auch wenn es in diesem Blog natürlich in allererster Linie um die geschriebene Sprache geht, möchte ich heute gern ein Phänomen aufgreifen, das in der gesprochenen Sprache der Medien, also in Funk und Fernsehen, immer stärker um sich greift.
Die Demonstrativpronomina des Deutschen sind hinlänglich bekannt: „dieses“ und „jenes“ in all ihren Formen. Mit einer bestimmten Betonung können aber auch andere Wortarten in der Kommunikation ihre Funktion übernehmen, zum Beispiel bestimmte Artikel oder Adverbien. Möchte man eine solche Verwendung in der Schriftsprache kenntlich machen, bleibt einem häufig nichts anderes übrig, als sie eindeutig zu markieren, entweder verbal:
„Du willst die Bluse anziehen?“, fragte sie entsetzt.
oder typografisch:
„Du willst DIE Bluse anziehen?“


Bis hierher ist gegen einen derartigen Gebrauch der Artikel nichts einzuwenden. Schwierig wird es jedoch bei ihrer Verdoppelung, die man vor allem in mündlichen Medienberichten immer wieder zu hören bekommt, wie etwa kürzlich im Deutschlandfunk Kultur:
„Die ‚Ärzte‘, die haben ihre Tournee für das nächste Jahr abgesagt.“
Natürlich ist diese Ausdrucksweise alles andere als neu, jedoch kenne ich sie eigentlich aus völlig anderen Zusammenhängen. So hieß es im Kindergarten durchaus schon mal:
„Der Sandro, der hat mich geschubst!“
Aber das war einerseits die kindliche Sprache, andererseits eine komplett umgangssprachliche Situation, was man von redaktionellen Beiträgen im Radio wie dem oben zitierten nicht behaupten kann.


Auch im Fernsehen ist man vor „doppelt Gemoppeltem“ dieser Art nicht gefeit, und es bleibt auch nicht immer bei den Artikeln. So ist der Satz „In Frankfurt, da beginnt heute die Buchmesse“ letztlich die gleiche Konstruktion, nur dass das lokale Adverb „da“ hier die Funktion des Artikels im eingangs erwähnten Satz übernimmt. Eine überflüssige Doppelung bleibt es dennoch.
Ich kann mir nicht erklären, warum diese Sätze immer wieder verwendet werden. Statt zu sagen „Im Frühling, da blühen die Blumen“, könnte man doch das Komma und das stilistisch unschöne „da“ ohne Not weglassen.
Auch wenn ich Konstruktionen dieser Art bisher meist gehört und nicht gelesen habe, kommen sie dennoch auch in den Printmedien vor und haben es deshalb als Thema in meinen Sprachblog geschafft. Manchmal ist nämlich etwas Demonstratives (in diesem Fall Artikel und Pronomina) wirklich zu viel des Guten und daher mehr als verzichtbar.


Andererseits aber können auch solche sprachlichen Eigenheiten, die im realen Leben eher Fehlleistungen darstellen, beim Verfassen eines literarischen Textes durchaus hilfreich sein – etwa um eine Figur zu charakterisieren, die derart Überflüssiges immer wieder in ihre Sätze einbaut. Wichtig ist nur, diesen Fehler als Autor oder Autorin im Erzähltext unbedingt zu vermeiden.


Carola Jürchott
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