Gehört es sich, einen eigentlich harmlosen Buchstaben als hinterlistig zu bezeichnen? Wahrscheinlich nicht, er kann ja nichts dafür. Dennoch könnte einem der Gedanke durchaus kommen, wenn man sieht, wie stark sich eine Bedeutung durch ihn in dem einen Fall verändern kann, während sie in anderen, vermeintlich gleich gelagerten, problemlos erhalten bleibt. Vor Kurzem las ich in einem Kommentar in den sozialen Medien als Reaktion auf ein Gewaltverbrechen folgenden Satz: „Mir tut erstmals die Familie des Opfers leid.“ Ich muss gestehen, dass ich erstmal zusammenzuckte, als ich das sah. Sollte jemand wirklich so gefühllos sein, dass er vorher noch nie Mitleid mit der Familie eines Opfers empfunden hatte?
Im nächsten Moment dämmerte es mir: Das s war schuld! Eigentlich hatte der Verfasser des Kommentars sicher sagen wollen, dass für ihn die Familie des Opfers im Vordergrund steht, er „erstmal Mitleid mit ihnen empfindet“!
In dieser Kombination ändert ein klitzekleines s nämlich alles. Während es bei „nochmal“ oder „nochmals“ völlig egal und eher Geschmackssache ist, ob man das s am Wortende stehen lässt, und es bei „abermals“, „ehemals“, „vormals“ und „einstmals“ gar keine andere Möglichkeit gibt, das Adverb zu bilden, sieht die Sache im Fall von „erstmal“ und „erstmals“ völlig anders aus.
Während „erstmal“ laut dem Duden Synonyme wie „zunächst“ und „fürs Erste“ aufweist und außerdem die getrennte Schreibweise „erst mal“ empfohlen wird, bedeutet „erstmals“ in jedem Fall „zum ersten Mal“ und ist daher als Füllwort, als das „erstmal“ häufig verwendet wird, gänzlich ungeeignet. Deshalb empfiehlt es sich, stets lieber nochmals zu überlegen, ob man etwas nur tut, bevor man sich anderen Dingen oder Gedanken zuwendet („erstmal“) oder ob man es tatsächlich noch nie vorher getan hat („erstmals“).
Bleibt noch anzumerken, dass die Formen mit einem s am Ende stilistisch neutral bis schriftsprachlich und daher in der geschriebenen Kommunikation vorzuziehen sind, während es sich bei „noch mal“ und „erst mal“ – egal, ob getrennt geschrieben oder zusammen – um Kurzformen der neutralen Formen „noch einmal“ und „erst einmal“ handelt, die durch die Verkürzungen eine umgangssprachliche Note erhalten haben.
Carola Jürchott