Seit 25 Jahren gibt der Literaturkreis der Deutschen aus Russland seine „Literaturblätter“ heraus
Interview mit dem Vorsitzenden des Literaturkreises der Deutschen aus Russland, Artur Böpple
Fremd unter seinesgleichen“ (ostbooks Verlag) lautet das Motto des Almanachs 2020, einer Anthologie, die zahlreiche russlanddeutsche AutorInnen generationenübergreifend mit Prosa, Lyrik und biografischen Texten, in Interviews und Rezensionen präsentiert. Die Inhalte der diesjährigen „Literaturblätter der Deutschen aus Russland“ werden durch Bilder und Grafiken von Irina Enns, Igor Galochkin und Lydia Galochkina pointiert betont. Als Herausgeber zeichnen Artur Böpple, das Bayerische Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) und der Literaturkreis der Deutschen aus Russland, der vor 25 Jahren von 14 LiteratInnen aus der ehemaligen Sowjetunion gegründet wurde. 2014 wurde das Engagement des Literaturkreises im Bereich der literarischen Vermittlung russlanddeutscher Kultur und Erfahrung und insbesondere auch für seine Arbeit mit jungen Autorinnen und Autoren mit dem Förderpreis des Russlanddeutschen Kulturpreises des Landes Baden-Württemberg gewürdigt. Die aktuelle Anthologie ist der russlanddeutschen Schriftstellerin Nora Pfeffer gewidmet, die sich von Beginn an im Literaturkreis engagiert und maßgeblich bei der Entstehung der ersten Literaturblätter der Deutschen aus Russland mitgewirkt hat.
Das Motto „Fremd unter seinesgleichen“ wurde nicht zufällig gewählt. Deutschen aus Russland sind Heimatverlust, Entwurzelung und Fremdsein, aber auch Neuverwurzelung und Beheimatung seit Generationen bekannt. Auch Nora Pfeffer musste all diese Erfahrungen, teils auf tragische Weise, durchleben. VadW-Redakteurin Nina Paulsen sprach mit dem Autor und Verleger Artur Böpple, derzeit Vorsitzender des Literaturkreises der Deutschen aus Russland und Mitarbeiter des BKDR, über den Literaturkreis und dessen Almanach sowie die Situation, in der sich die russlanddeutsche Literatur gegenwärtig befindet.
Artur, der Almanach 2020 ist fast auf den Tag genau zum 25. Gründungstag des Literaturkreises der Deutschen aus Russland erschienen. Wenn du auf diese 25 Jahre zurückblickst und kurz zusammenfasst: Welche Bedeutung hat der Literaturkreis für die Entwicklung der russlanddeutschen Literatur von Mitte der 1990er Jahre bis heute? Und wie hat sich der Almanach als Jahrbuch des Literaturkreises inzwischen verändert?
Zunächst muss ich klarstellen, dass ich persönlich leider nicht unmittelbar auf alle 25 Jahre zurückblicken kann, denn ich gehöre erst seit etwa 2010 dem Literaturkreis an und bin seit 2012 in der Redaktion aktiv. Dennoch denke ich, dass ich die Bedeutung und den Einfluss des Literaturkreises auf unsere Literaturszene – sei es anhand von geschriebenen Texten oder von ausgewählten Autorenbiografien – beurteilen kann, wenn auch nur subjektiv und eher exemplarisch. Hauptanliegen des Literaturkreises war ja und ist, unsere Autorinnen und Autoren möglichst zügig in die bundesdeutsche Literaturszene zu integrieren – das ist ein fester Bestandteil unserer Satzung! – , damit wir dort auf verschiedenen Ebenen agieren und von uns bzw. von unserem Schicksal als Bevölkerungsgruppe auf einem professionellen Niveau zu erzählen imstande sind, kurzum, damit wir hierzulande überhaupt wahr-, ernstgenommen und gehört werden.
Ich denke, um den Einfluss des Literaturkreises auf einzelne Autorenbiografien anschaulich zu machen, schildere ich kurz meine persönlichen Erfahrungen als Autor seit dem Zeitpunkt, als ich dem Literaturkreis beigetreten bin. Erst dank der jährlichen Seminare und des darauffolgenden Austausches untereinander verspürte ich in mir den Impuls, Lyrik zu schreiben, und gewann das nötige Selbstvertrauen, eigene Prosa öffentlich vorzutragen. Regelmäßige Lesungen, Vernetzung durch die Publikationen im Jahrbuch und Feedbacks der Kolleginnen und Kollegen taten meinem Wachstum als Autor gut und wirkten sich positiv auf die Motivation aus, die man beim Anpacken von größeren Schreibprojekten braucht. Bald stellten sich die ersten Erfolge ein, Publikationen in diversen Anthologien und teils bekannten deutschen und österreichischen Literaturzeitschriften folgten. Hier und da glückte es mir auch, Wettbewerbe zu gewinnen, wie zum Beispiel den Leverkusener Short-Story-Preis 2015.
„„Fremd unter seinesgleichen“ – Interview mit Artur Böpple“ weiterlesen