Bezüge über Bezüge

Leser, die diesen Blog regelmäßig verfolgen, mögen sich über die Überschrift wundern, denn um Bezüge ging es hier schon einmal. Da dieses Problem aber ein Dauerbrenner und – ich gebe es offen zu – auch ein ständiges Ärgernis beim Verfolgen von Berichten in Presse, Funk und Fernsehen ist, habe ich beschlossen, die prägnantesten „Ausrutscher“ zu sammeln und hier immer mal wieder zu thematisieren.

So war zum Beispiel kürzlich in einem dpa-Bericht Folgendes zu lesen: „Damit sie Früchte tragen, sollten Gärtner die Blütenstände nach dem ersten Verblühen zurückschneiden.“ Ganz ehrlich: Ich würde zu gern einmal sehen, wie es aussieht, wenn Gärtner Früchte tragen. Hier greift wieder die Regel, dass sich das „sie“ auf das ihm am nächsten stehende Substantiv derselben Person und desselben Numerus bezieht, also in diesem Fall auf die Gärtner. Natürlich könnte man einwenden, das sei nun wirklich Erbsenzählerei und ergebe sich aus dem Kontext, aber grammatisch korrekt ist es dennoch nicht. Hier wäre es sinnvoll gewesen, die Satzglieder umzustellen: „Die Gärtner sollten die Blütenstände nach dem ersten Verblühen zurückschneiden, damit sie Früchte tragen.“  Ein weit unschöneres Bild drängt sich bei einem Satz auf, der im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu hören war: „Fast dreizehn Millionen Thais haben von ihrem Monarchen Abschied genommen, aufgebahrt im Palast in Bangkok.“

Man verzeihe mir die Pietätlosigkeit, aber das könnte etwas eng werden. So, wie der Satz formuliert war, wäre nämlich nicht etwa der Monarch im Palast aufgebahrt gewesen, sondern die dreizehn Millionen Besucher. Das Partizip II nach dem Komma bezieht sich auf das Subjekt des Satzes davor, und das ist nicht der Monarch. Hier hätte ein vollständig formulierter Relativsatz Abhilfe schaffen können: „Fast dreizehn Millionen Thais haben von ihrem Monarchen Abschied genommen, der im Palast in Bangkok aufgebahrt war.“

Das letzte Beispiel für dieses Mal stammt aus derselben Quelle: „Die venezolanische Regierung hat in den letzten Jahren keinerlei Reformen angeschoben, um die Folgen der Wirtschaftskrise zu mildern.“ Ich gebe zu, in diesem Fall kann man mein Monitum tatsächlich für kleinlich halten, aber hat man schon jemals gehört, dass es geholfen hätte, keinerlei Reformen anzuschieben? Sollte man wirklich so eine Wirtschaftskriese mildern können? Hier stellt sich zumindest beim genaueren Nachdenken die Frage nach Ursache und Wirkung. Hat die Regierung bewusst keine Reformen angeschoben, weil sie das Ziel hatte, die Krise zu mildern? Man weiß es nicht. Eindeutig wäre aber auf jeden Fall eine Formulierung gewesen wie: „Die venezolanische Regierung hat in den letzten Jahren keinerlei Reformen angeschoben, mit denen die Folgen der Wirtschaftskrise hätten gemildert werden können.“ Sollte tatsächlich das Gegenteil gemeint gewesen sein, hätte man es verdeutlichen sollen: „Um die Folgen der Wirtschaftskrise zu mildern, hat die venezolanische Regierung bewusst darauf verzichtet, Reformen anzuschieben.“

Wie gesagt, man kann all das für Pedanterie halten, aber dennoch möchte ich an Sie, liebe Leser, appellieren, lieber dem Zweifel etwas Raum zu geben und eigene Formulierungen noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob in Ihrem Text nicht vielleicht auch die Gärtner Früchte tragen oder viel zu viele Menschen auf engem Raum aufgebahrt werden sollen.

Carola Jürchott

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