Doppelt hält nicht immer besser

Wer kennt sie nicht, die berühmten Doppelbezeichnungen für Personen, als deren Standardbeispiel im Russischunterricht immer Walentina Tereschkowa herhalten musste: „женщина-космонавт“?! Doch auch im nichtkosmischen Sprachgebrauch begegnet man ihnen immer wieder, sei es nun der инженер-строитель oder, wie es in historischen Texten häufig vorkommt, die „немцы-спецпоселенцы“.

So verlockend es sein mag, diese Formen einfach auch im Deutschen zu übernehmen, so wenig empfehlenswert ist eine solche Vorgehensweise, da Konstruktionen dieser Art im Deutschen völlig unüblich sind. Wozu auch? Hier gibt es schließlich zusammengesetzte Substantive wie den berühmten „Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän“, um ein bekanntes Wortungetüm zu zitieren.

Natürlich gibt es auch im Deutschen die Notwendigkeit, genau das zu verdeutlichen, was mit den russischen Doppelformen ausgedrückt werden soll, und deshalb gibt es auch sprachliche Mittel dafür. Nur unterscheiden sich diese von den russischen so stark, dass man im Deutschen an den Doppelformen sofort den Nichtmuttersprachler erkennt.

Die deutschen Varianten lassen sich im Wesentlichen in drei große Gruppen einteilen.

  1. Morphologische Veränderungen

Hier geht es in erster Linie um das Anhängen einer weiblichen Endung. So wird aus „женщина-космонавт“ die „Kosmonautin“ und aus „женщина-врач“ die „Ärztin“. (Gerade bei diesen Substantiven fällt es deutschen Muttersprachlern übrigens immer besonders schwer zu verstehen, warum vermeintlich normale weibliche Formen wie „врачиха“ kein Äquivalent zu der stilistisch völlig neutralen „Ärztin“ sind.)

  1. Adjektivverbindungen

Diese Form ist dann zu empfehlen, wenn die Verwendung des Adjektivs keinen neuen Missverständnissen Vorschub leistet. So ist es völlig in Ordnung, „немцы-спецпоселенцы“ als „deutsche Sondersiedler“ zu bezeichnen und einen „путешественник-англичанин“ als „englischen Reisenden“. Die Berufsbezeichnung „ästhetischer Chirurg“ lässt jedoch, obwohl sie sich schon völlig eingebürgert hat, Raum für Zweifel: Ist der Chirurg selbst eine Augenweide oder doch eher das Ergebnis seiner Arbeit? Deshalb sollte man, bevor man Attribute dieser Art verwendet, lieber noch einmal genauer hinsehen, ob sich auch wirklich eine eindeutige Zuordnung ergibt.

  1. Zusammengesetzte Substantive

Diese Gruppe dürfte wohl die größte der drei sein, weil viele Berufsbezeichnungen genau so funktionieren. So ist der „инженер-строитель“ im Deutschen ein Bauingenieur, der „мастер-пивовар“ ein Braumeister und der „столяр-инструментальщик“ ein Werkzeugtischler. Manchmal lässt sich die deutsche Bezeichnung jedoch auch nicht unmittelbar aus den beiden russischen Teilen herleiten wie etwa beim „учитель-стажер“, dem „Lehramtsanwärter“.

Allerdings gibt es auch Fälle, in denen man um eine Umschreibung nicht herumkommt. So kann man beispielsweise in einem Text über Tschechow, in dem auf seine Tätigkeiten Bezug genommen wird, „врач-писатель“ nur mit „der Arzt und Schriftsteller Anton Tschechow“ wiedergeben. Handelt es sich um das Phänomen der „врачи-писатели“ im Allgemeinen, bleibt einem nur eine Formulierung wie „Schriftsteller, die gleichzeitig Ärzte waren“.

Aus all diesen Möglichkeiten gilt es nun, die jeweils richtige auszuwählen. Dafür kann ich weiterhin nur empfehlen, viel zu lesen und auch beim Googeln lieber einmal öfter hinzuschauen, wer die entsprechende Seite verwaltet, wenn einem eine Bezeichnung aus dem Russischen gar zu vertraut vorkommt.

Carola Jürchott

www.lust-auf-geschichten.de