AKÜFI in Ost und West

Wer ist nicht schon einmal fast daran verzweifelt, eine ihm unbekannte Abkürzung zu entschlüsseln? Bei mir hat es zum Beispiel einige Zeit gedauert, bis ich herausfand, dass sich hinter dem rätselhaften Namen Гиредмет für die Einrichtung, der das Ferienlager bei Moskau gehörte, in dem ich dreimal einen Teil meiner Sommerferien verbrachte, das Staatliche Forschungsinstitut für seltene Metalle verbarg. Seine komplette russische Bezeichnung ist noch länger: Государственный научно-исследовательский и проектный институт редкометаллической промышленности.

In einem Buch, das ich kürzlich las, geriet der Autor bereits bei der Dechiffrierung des überaus bekannten Komsomol auf Abwege. Während er zwar noch die deutsche Erklärung abgab, es handele sich dabei um den Kommunistischen Jugendverband, lautete seine ausgeschriebene russische Version: „Komitet Sozialistitscheskych Molodesch“. Es ist also offensichtlich gar nicht so einfach, von der Abkürzung auf die richtige vollständige Version zu schließen.

Doch der AKÜFI, wie in meiner Schulzeit der „Abkürzungsfimmel“ scherzhaft genannt wurde, ist kein Spezifikum der russischen Sprache. Auch in Deutschland wurde und wird abgekürzt, was das Zeug hält. So erinnert sich vielleicht kaum noch jemand daran, dass es in der DDR in den meisten Wohnblöcken eine HGL, eine Hausgemeinschaftsleitung, gab und dass seitens der Polizei der ABV, der Abschnittsbevollmächtigte, ab und zu nach dem Rechten sah. Geradezu in aller Munde sind jetzt jedoch Abkürzungen wie das BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder Parteibezeichnungen wie CDU, CSU und SPD.

Mitunter sieht man beim Gebrauch dieser Abkürzungen Varianten, die zwar auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, bei genauerer Betrachtung aber eine Tautologie darstellen. So wurde der ABV umgangssprachlich auch ABVer genannt, obwohl „Abschnittsbevollmächtigter“ die Genusendung bereits enthält, und auch bei den seinerzeit häufig zitierten „ABM-Maßnahmen“ bedeutete die Abkürzung selbst bereits „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“, so dass die zweite Nennung der Maßnahmen überflüssig war. Derartige Redundanzen sollten unbedingt vermieden werden.

Wie aber geht man mit diesen Abkürzungen um, wenn man sich nicht sicher sein kann, dass der potenzielle Leser sie auf Anhieb versteht? In diesem Fall hilft nur eins: Ausschreiben! Damit ist man immer auf der sicheren Seite, und wenn sich der Begriff häufig wiederholt, kann man ja die entsprechende Abkürzung in Klammern schreiben und anschließend ganz normal verwenden. Einige russische Abkürzungen sind auch im Deutschen durchaus üblich und können problemlos verwendet werden. Ob es sich um eine solche Abkürzung handelt, sollte man jedoch für jeden Einzelfall prüfen. So kann man zwar durchaus vom KGB und vom NKWD sprechen, das MWD ist jedoch weit weniger bekannt, sodass man hier besser auf den Begriff „Innenministerium“ zurückgreift.

Aufpassen sollte man allerdings bei den dazugehörigen Artikeln. Hier haben sich im Deutschen Genusformen eingebürgert, die meist vom Hauptbestandteil der Abkürzung abgeleitet sind: die CDU von „Union“, das BAMF von „Amt“ etc. Bei Übernahmen von Abkürzungen aus dem Russischen ist besondere Vorsicht geboten, da hier diese Regel nicht immer gilt. So ist das Komitee für Staatssicherheit im Deutschen „der KGB“ und das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten „der NKWD“. Auch hier sollte man sich im Zweifel noch einmal mit Hilfe des Dudens oder anderer Nachschlagewerke wie der Wikipedia vergewissern, da sonst der deutschsprachige Leser stutzen könnte.

Carola Jürchott

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