Ist doch logisch!

Auch wenn diese Reihe eigentlich ein Sprachblog ist, möchte ich an heute einmal darauf eingehen, dass es auch beim Lektorieren und Korrekturlesen nicht immer nur um sprachliche Feinheiten geht. Manchmal sind Sätze auf den ersten Blick grammatisch völlig richtig, und dennoch bedürfen sie dringend einer Korrektur, weil die Logik nicht gewahrt ist. So begegnete mir kürzlich in einem Buch der wunderbare Satzanfang „Als die Moorleichen noch lebendig waren, …“

An dieser Stelle war für mich die Versuchung groß, den Satz folgendermaßen zu beenden: „waren sie noch keine Moorleichen.“
Offensichtlich scheint die Endlichkeit des Seins ein wenig zu unlogischen Formulierungen zu verführen, oder wie sonst wäre der folgende Satz zu erklären: „Sie hat uns das nach ihrem Tod vererbt“? Nach ihrem Tod konnte sie ihren Willen ja nicht mehr äußern, also muss sie schon zu Lebzeiten verfügt haben, an wen das Erbe nach ihrem Tod übergeht. Eine so eindeutige Aktivkonstruktion würde ich an dieser Stelle deshalb ausschließen.


Auch im Zusammenhang mit der derzeitigen Situation liest man mitunter Seltsames wie etwa: „Die Zahl der Verstorbenen ist gesunken.“ So schön es wäre, aber wie soll das bitte gehen? Hier wäre es sicher sinnvoll gewesen, eine Zeitangabe einzufügen („der Verstorbenen pro Tag“ o. Ä.)
Doch auch bei Beiträgen zu weit freudigeren Themen bleibt die Logik mitunter auf der Strecke. So hörte ich neulich in einem Fernsehbericht über Winzer mit einem Kameraschwenk auf große Edelstahltanks: „Hier gärt der Wein und wird so zum Riesling, Chardonnay oder Burgunder.“

Der erste Teil des Satzes stimmt natürlich, allerdings wird der Wein keineswegs „so“ zum Riesling, Chardonnay oder Burgunder. Diese „Entscheidung“ fällt bereits wesentlich früher, denn die Art des Weines wird durch die Rebsorte, also bereits beim Pflanzen des Weinstockes, bestimmt, nicht erst während des Gärvorgangs.
Doch nicht nur in den Formulierungen können sich Logikfehler verbergen. Manchmal entscheidet ein einziges Komma, in welche Richtung die Satzaussage geht. So ist es z. B. ein Unterschied, ob ein Satz „Lara dachte dabei an Anja, die im anderen Zimmer schlief und überlegte, ob sie traurig war“ oder „Lara dachte dabei an Anja, die im anderen Zimmer schlief, und überlegte, ob sie traurig war“ lautet.

Im ersten Fall überlegt nämlich Anja selbst, ob sie gerade traurig ist, was im Schlaf wohl nur schwer möglich wäre, während sich im zweiten Satz Lara darüber Gedanken macht, ob Anja, die im anderen Zimmer schläft, wohl traurig ist.

Dass man auch als Korrektor die eigenen Entscheidungen immer im Hinblick auf die Logik hinterfragen sollte, verdeutlicht der folgende Satz: „Deshalb schrieb der Schriftsteller ein Flugblatt, in dem er den armen Bauern empfahl, sich gegen die Regierung, die viel zu hohe Steuern verlangte, zu wehren, um nicht länger hungern zu müssen.“ Getreu der Maxime, mehrteilige Prädikate nicht unnötig voneinander zu trennen, wollte ich den Satz ändern in: „Deshalb schrieb der Schriftsteller ein Flugblatt, in dem er den armen Bauern empfahl, sich gegen die Regierung zu wehren, die viel zu hohe Steuern verlangte, um nicht länger hungern zu müssen.“

Zum Glück fiel mir noch rechtzeitig auf, dass in diesem Fall die Regierung die Steuern verlangt hätte, weil sie selbst nicht hungern wollte. Da dies diametral entgegengesetzt zur beabsichtigten Aussage des Satzes gewesen wäre, habe ich die Korrektur natürlich nicht vorgenommen. Sie sehen also, sowohl Autoren als auch Lektoren und Korrektoren sind gut damit beraten, nicht nur auf die grammatischen Strukturen und die Rechtschreibung zu achten, sondern den Sinn der Aussage immer fest im Blick zu behalten.


Carola Jürchott
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