„Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es noch lange nicht dasselbe.“
Mit diesen beiden Sprichwörtern bin ich großgeworden, und während es für das erste durchaus auch Entsprechungen in anderen Sprachen gibt (z. B. „Рыбак рыбака видит издалека.“), dürfte eine Entsprechung für das zweite wesentlich schwerer zu finden sein. Hier wird nämlich mit einer Besonderheit des Deutschen gespielt, die auch Muttersprachlern häufig Schwierigkeiten bereitet – meist, ohne dass sie sich dessen selbst bewusst sind.
Es geht um den Unterschied zwischen „dasselbe“ und „das Gleiche“. Selbst wenn wir die unterschiedliche Rechtschreibung an dieser Stelle einmal außer Acht lassen, gibt es doch einen auf den ersten Blick kleinen, aber dennoch feinen Unterschied: Während „dasselbe“ immer das eine konkrete Substantiv (sei es nun ein Gegenstand, eine Person oder ein Ort) bezeichnet, ist mit dem „Gleichen“ etwas Gleichartiges gemeint.
Hierbei fällt mir spontan ein Satz aus meiner Schulzeit ein, der verdeutlichen kann, worin dieser Unterschied besteht. Wenn damals jemand stolz zu einem Klassenkameraden sagte: „Guck mal, ich habe dieselbe Hose wie du!“, konnte der Angesprochene getrost antworten: „Das glaube ich nicht, ich habe sie ja gerade an. Du hast die gleiche Hose wie ich!“ Deshalb konnte man, streng genommen, auch nicht bei dem gleichen Lehrer Biologie haben, sondern nur bei demselben. Schließlich gab es den entsprechenden Lehrer nur einmal.
Natürlich ist es in der Umgangssprache inzwischen fast schon normal, mit dem Unterschied zwischen „demselben“ und „dem Gleichen“ eher lax umzugehen, und selbst der Duden gibt mittlerweile in der zweiten Bedeutung zu „derselbe“ an, dass es umgangssprachlich ein Synonym zu „der Gleiche“ sei. Mir aber sträuben sich nach wie vor alle Nackenhaare bei der Vorstellung, jemand könnte „dasselbe“ T-Shirt tragen wie ich oder sich zu einer Verabredung nur im gleichen, nicht aber im selben Raum einfinden, weil wir einander dann eben doch verpassen würden.
Deshalb – und weil es selbst im Duden nur als „umgangssprachlich“ geduldet wird, beide Formen zu vermischen – achten Sie bitte darauf, dass beispielsweise zwei Ereignisse durchaus im selben, nicht aber im gleichen Jahr stattgefunden haben können und dass die Wirkung eines Zitats in einem anderen Umfeld zwar möglicherweise die gleiche, nicht aber dieselbe sein muss.
Carola Jürchott