„Hier war ich, dort bin ich …“ – Literaturalmanach 2022 erschienen

Wovon wird das, was uns ausmacht, primär beeinflusst? Ist es der Ort unserer Geburt, unsere Sozialisation oder Blicke und Zuschreibungen von außen? Leider stellen wir immer noch fest, dass es in der bundesdeutschen Mehrheitsgesellschaft – auch bei Vertreterinnen und Vertretern von verschiedenen Medienanstalten und Redaktionen – in Bezug auf Russlanddeutsche große Wissenslücken und damit einhergehende Stereotype vorherrschen. Wir sind uns dessen bewusst, dass solche Wissensdefizite nicht von heute auf morgen beseitigt werden können. Nur Schritt für Schritt und nur, in dem nicht nur über uns gesprochen wird, sondern wir selbst es sind, die unsere eigenen Geschichten erzählen.

In diesem Jahr gibt es bei der Anthologie eine Neuerung: Neben einer Auswahl aus regulären Einsendungen enthält sie die Texte von zwei Gewinnerinnen und einem Gewinner des Literaturwettbewerbs zu Ehren von Nora Pfeffer. Der Nora-Pfeffer-Preis wurde gemeinsam vom BKDR Verlag und dem Literaturkreis der Deutschen aus Russland e. V. ins Leben gerufen. Das Ziel ist es, nicht nur an die Namensgeberin und herausragendste russlanddeutsche Autorin zu erinnern, sondern in erster Linie junge Literatinnen und Literaten zu fördern und zu motivieren, sich in ihrem Schaffen mit Themen mit russlanddeutschem Bezug auseinanderzusetzen.

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„Ein ganzer Mann“ von Melitta L. Roth (Leseprobe)

Kurzgeschichte aus dem Buch „Gesammelte Scherben“

–  Ach komm, nur ein Schlückchen!

–  Nur ein kleines Gläschen, das schadet doch nicht. Wodka tötet alle Bakterien, das weiß man doch!

–  Auf unsere Freundschaft.

–  Auf deine Frau.

–  Auf alle unsere Frauen. Was für Schönheiten ihr doch seid!

–  Auf uns!

–  Auf die Gesundheit. Was, du willst noch nicht mal auf meine Gesundheit trinken, das nehme ich dir übel, mein Freund, sehr übel.

Wenn du in Russland oder auch in Sibirien – oder im fernen Osten wie Kolyma oder Kamtschatka – als Frau ein Gläschen ablehnst, wird es nach einigen nervigen Frageattacken irgendwann akzeptiert. Als Mann hast du keine Chance. Du wirst so lange überredet, dass es fast an Nötigung grenzt. Das hat sich in den letzten Jahren möglicherweise geändert, seit die Gesetze strenger geworden sind und es ab 23 Uhr nichts Hochprozentiges mehr zu kaufen gibt und jetzt sogar Bier per Gesetz zu einem alkoholischen Getränk erklärt worden ist. Doch vor über als vierzig Jahren standest du hinter dem Eisernen Vorhang als ein abstinenter Mann auf verlorenem Posten.

Damals befand sich Otto Adolfowitsch Reimer in der Blüte seiner Jahre. Er arbeitete als Ingenieur in einem Chemiewerk einer größeren sibirischen Stadt, war verheiratet. Und trank nicht. Auch später nicht. Genau genommen rühmte er sich, bis zu seinem 53. Lebensjahr keinen Tropfen angerührt zu haben. Nicht bei seiner eigenen Hochzeit, nicht bei Beerdigungen, und noch nicht einmal, um die Geburt seiner beiden Töchter zu begießen. Er blieb im Land des personifizierten Wodka-Klischees stets abstinent, und das will schon was heißen.

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Online-Vorstellung des Literaturalmanachs 2020 – „Fremd unter seinesgleichen“

Wie fühlt sich Entwurzelung an? Wie ist es, fremd zu sein – auch unter den vermeintlich eigenen Leuten? Solche Empfindungen erleben zugegebenermaßen nicht nur Aussiedler und Aussiedlerinnen. Dennoch ist ihnen Heimatverlust und Entwurzelung seit Generationen bekannt. Sie wissen, wie es ist, sich immer wieder in einer fremden Umgebung verorten und behaupten zu müssen.

Lesung und Diskussion mit Ira Peter, Melitta Roth, Artur Rosenstern und Prof. Dr. Annelore Engel-Braunschmidt | Moderiert von Dietmar Schulmeister

Im Oktober 2020 feierte der Literaturkreis der Deutschen aus Russland ein markantes Jubiläum – sein 25-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass präsentierte die Redaktion des Literaturkreises die Jubiläumsausgabe des Literaturalmanachs mit dem Titel „Fremd unter seinesgleichen.“ Zwischen seinen Buchdeckeln versammelt er ein Mosaik aus Lyrik, Prosa, biografischen Texten und Rezensionen kürzlich erschienener Bücher und gibt damit einen wesentlichen Überblick über die russlanddeutsche Literaturszene.

Lesung ansehen (vom 10.12.2020)

Gemeinsame Veranstaltung der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus und der LmDR Nordrhein-Westfalen. Das Angebot wurde durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW gefördert.

Die Publikation wurde herausgegeben in Kooperation mit dem Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland.

„Gesammelte Scherben“ – Melitta L. Roth stellt ihren ersten Erzählband vor

Lesung und Diskussion mit Melitta Roth, musikalisch begleitet von Oleg von Riesen und moderiert von Margarete Polok.

„Gesammelte Scherben“ – Online-Lesung abrufen


Im Oktober 2020 erscheint im ostbooks Verlag der Erzählband „Gesammelte Scherben“ von Melitta L. Roth. Es ist eine Auswahl von Prosatexten und literarischen Miniaturen, die die Autorin in den letzten Jahren verfasst hat. Die meisten behandeln typisch russlanddeutsche Themen wie Entwurzelung, Ankommen, Integration oder die Erinnerung an die blutige Geschichte der Volksgruppe. Die Protagonisten der kurzen Geschichten sind aber alles andere als typisch, es sind oft skurrile, abseitige oder gebrochene Charaktere, die mit dem Erbe der Vergangenheit überfordert sind oder ihm zu entkommen suchen. Gefördert wurde dieses Projekt vom Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) in Nürnberg.


Gemeinsame Veranstaltungsreihe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. – Landesgruppe Nordrhein-Westfalen und der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus. Wir danken dem Ministerium für Wissenschaft unf Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen für die Förderung.

Buchtipp: „Gesammelte Scherben“ von Melitta L. Roth

Im November 2020 erschien im ostbooks Verlag der Erzählband „Gesammelte Scherben“ von Melitta L. Roth. Es ist eine Auswahl von Prosatexten und literarischen Miniaturen, die die Autorin in den letzten Jahren verfasst hat. Die meisten behandeln typisch russlanddeutsche Themen wie Entwurzelung, Ankommen, Integration oder die Erinnerung an die blutige Geschichte der Bevölkerungsgruppe. Die Menschen und Lebenswege, die sie beschreibt, sind aber alles andere als typisch. Es sind die skurrilen, abseitigen und gebrochenen Charaktere, die ihr am Herzen liegen. Menschen, die mit dem Erbe der Vergangenheit hadern, überfordert sind oder ihm zu entkommen suchen.

Herausgegeben wurde dieses Projekt vom Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) in Kooperation mit dem Literaturkreis der Deutschen aus Russland e. V.

Melitta L. Roth, Autorin

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