Der Tragödie zweiter Teil

Der Titel lässt es erahnen, liebe Leserinnen und Leser, es ist noch nicht vorbei! Das Thema des letzten Beitrags ist noch nicht vollständig abgehandelt. Alles, was ich dort zu Namen von Personen gesagt hatte, bezieht sich nämlich ebenso auf andere Eigennamen und Bezeichnungen (unter anderem in der Welt des Theaters, doch dazu später mehr).

So werden beispielsweise Ortsnamen im weitesten Sinne, sogenannte Toponyme, ebenfalls in der Regel nicht übersetzt, aber sehr wohl an die Zielkultur angepasst. Auch hierfür sollte maßgeblich sein, welche Form die im entsprechenden Sprachraum verwendete ist. Natürlich kann man New York bei einer Übersetzung aus dem Russischen nicht einfach als „Nju-Jork“ transkribieren. Das italienische „Milano“ ist Muttersprachlern des Russischen in Anlehnung an die lombardische Bezeichnung als „Милан“ bekannt, auf Deutsch muss es jedoch „Mailand“ heißen.

Grundsätzlich ist auch in diesem Bereich zu beobachten, dass sich das Russische wesentlich häufiger einer phonetischen Umschrift des Originalnamens bedient, während das Deutsche oft eigene Bezeichnungen verwendet. So ist für die polnische Hauptstadt der Name „Warschau“ deutschen Muttersprachlern wesentlich vertrauter als „Warszawa“, weshalb hier eine reine Anpassung der Schreibweise bei der Übersetzung aus dem Russischen ebenfalls nicht zielführend wäre.

Dasselbe gilt für Flüsse, Seen und Gebirge. Um vom russischen „Крконоше“ darauf zu kommen, dass das in der heutigen Tschechischen Republik gelegene Gebirge auf Deutsch „Riesengebirge“ heißt, hilft gegebenenfalls nur ein Gang ins Reisebüro oder ein Blick in die Wikipedia.

Um Eigennamen im weitesten Sinne handelt es sich auch bei vielen Titeln der Weltliteratur und des Musiktheaters, und genauso sind sie auch zu behandeln. Nun würde wahrscheinlich niemand auf den Gedanken kommen, Shakespeares Prinzen von Dänemark im Deutschen als „Gamlet“ zu bezeichnen, doch wie sieht es mit Titeln von Musikstücken aus? Auch hier wird aus dem russischen „Богема“ im Deutschen wieder „La Bohème“, „Пеер Гюнт“ heißt in unseren Breiten „Peer Gynt“. Das hier Gesagte betrifft übrigens nicht nur Werke aus Ländern, die nicht zu dem für die Übersetzung in Frage kommenden Sprachenpaar gehören. Auch russische und deutsche Autoren bedienen sich mitunter der Stoffe anderssprachiger Schriftsteller. So kann man die Oper „Кола Брюньон“ von Dmitri Kabalewski ebenfalls nicht einfach aus dem Russischen transkribieren, da sie nach einer Erzählung von Romain Rolland verfasst wurde und die in Deutschland übliche Schreibweise „Colas Breugnon“ ist.

Und die handelnden Personen? Dass „Марсель“ aus „La Bohème“ im Deutschen wahrscheinlich nicht „Marsel“ (auch das ist mir beim Korrekturlesen schon untergekommen), sondern „Marcel“ heißen müsste, liegt für einen professionellen Übersetzer auf der Hand. Allerdings orientiert sich die offizielle Übersetzung des Opernlibrettos nicht am Ort der Handlung, sondern an der Originalsprache, und damit heißt die entsprechende Baritonrolle im Deutschen „Marcello“. Es genügt also in diesem Fall noch nicht einmal, die Herkunft der Namen und die Originalschreibweise zu kennen, ohne einen Blick ins Lexikon oder den Opernführer wird man hier nicht auskommen.

Alles bisher Gesagte betrifft übrigens auch Fremdwörter, die in beiden Sprachen vorhanden sind, wie etwa das „кордебалет“, das im Deutschen, angelehnt ans Französische „Corps de ballet“ geschrieben wird. Da hier aber noch andere Fallen lauern, soll das ein gesondertes Thema sein.

Carola Jürchott

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