Grund und Boden

Diese Wortverbindung ist seit dem 15. Jahrhundert in der deutschen Rechtssprache verbrieft und bezeichnet im direkten Wortsinne Land- oder Grundbesitz. Man findet sie natürlich auch heute noch in der Alltagssprache in Formulierungen wie „auf heimatlichem Grund und Boden“.

Im übertragenen Sinne ist sie ebenfalls noch immer stark vertreten und wird auch dort immer als eine Einheit verwendet, und zwar in unterschiedlichen semantischen Zusammenhängen. So kann man sich nicht, wie es mir unlängst in einem Text begegnete „in den Boden schämen“, sondern ausschließlich in Grund und Boden. Hier wirkt diese Passage nämlich verstärkend, etwa als Synonym zu „zutiefst“.

Diskutiert man hingegen jemanden in Grund und Boden, lässt man ihn entweder gar nicht erst zu Wort kommen oder redet so lange auf ihn ein, bis er sich mehr oder weniger freiwillig der Position seines Gegenübers anschließt.

Die dritte Verbindung, die man mit diesen beiden Wörtern bilden kann, ist ebenfalls keine positive. Hat man etwas „in Grund und Boden gewirtschaftet“, hat man es vollends ruiniert.

Beide Substantive können übrigens nur in dieser Reihenfolge verwendet werden und nicht etwa umgekehrt. Sie gehören nun einmal zusammen wie „Blitz und Donner“, „Pech und Schwefel“, „Tag und Nacht“ und, um noch einen historischen Vergleich zu bemühen, „Hammer und Sichel“.

Damit sind wir auch schon wieder bei den Unterschieden, die sich im Spannungsfeld der russischen und deutschen Sprache ergeben. Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben sicher schon bemerkt, dass allein schon die Reihenfolge der genannten Substantive innerhalb der Wortpaare in beiden Sprachen unterschiedlich sein kann. Denken Sie nur an „гром и молния“ oder „серп и молот“.

Manchmal kommt es aber auch vor, dass in beiden Sprachen ausgerechnet das jeweils andere Wort das einzig passende ist. So las ich vor Kurzem in einem aus dem Russischen übersetzten Text, es habe „Verfolgungen auf religiösem Boden“ gegeben. Ich habe einige deutsche Muttersprachler befragt, die mit dem Russischen weniger vertraut sind, was sie sich unter dieser Formulierung vorstellen. Die einhellige Antwort lautete nach kurzem Zögern: „Nun ja, vielleicht Verfolgungen in einer Kirche oder auf dem Friedhof.“

Hier hatte sich der Übersetzer also eindeutig für das falsche der beiden Wörter entschieden, denn das russische „на религиозной почве“ kann im Deutschen nur mit „aus religiösen Gründen“ wiedergegeben werden, wobei ich zugeben muss, dass diese „Gründe“ mit dem oben beschriebenen „Grund“, wenn man es ganz genau betrachtet, nur noch wenig zu tun haben.

Carola Jürchott

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