Gegensätze zieh‘n sich an …

Obwohl diese Zeile einerseits ein bekanntes Sprichwort darstellt, andererseits auch den Anfang eines Schlagers bildet, stelle ich im täglichen Sprachgebrauch immer wieder fest, dass es mit den Gegensätzen selbst sprachlich nicht ganz so einfach ist. Natürlich haben die meisten von uns irgendwann einmal gelernt, was man unter einem Antonym versteht und könnten die entsprechenden Wortpaare vermutlich im Schlaf herbeten: Liebe – Hass, hell – dunkel, einpacken – auspacken.

Die Schwierigkeit besteht aber nicht in der Anwendung der Antonyme, sondern in ihrer Benennung, genauer gesagt, in der Unterscheidung zwischen „Gegensatz“ und „Gegenteil“. Während der Gegensatz, wie es schon die Überschrift erahnen lässt, eher eine fast schon philosophische Definition erfordert (in diesem Bereich gibt es dann sogar die antagonistischen Gegensätze und Ähnliches), ist das Gegenteil immer etwas sehr Konkretes, gewissermaßen ein Pendant mit negativem Vorzeichen, das Yin zum Yang.

Sicher wäre es zu viel verlangt, wollte man für jeden Satz, in dem sprachliche oder semantische Gegensätze vorkommen, erst philosophische Fragen klären. Dennoch gibt es feststehende Wendungen, in denen „Gegenteil“ und „Gegensatz“ nicht austauschbar sind. So steht das Gegenteil meist allein, während auf den Gegensatz häufig eine Präposition oder ein Adverb folgt:

Sie wollte an diesem Abend nicht tanzen gehen. Im Gegenteil: Sie wollte lieber lesen.

Er war ein begnadeter Tänzer, doch sie war das ganze Gegenteil von ihm.

 

Im Gegensatz zu ihm wollte sie nicht tanzen gehen, sondern lieber lesen.

Er wollte an diesem Abend tanzen gehen. Im Gegensatz dazu wollte sie lieber lesen.

Seine Absichten für diesen Abend standen im krassen Gegensatz zu ihren: Statt zu lesen, wollte er lieber tanzen.

Obwohl sich diese Sätze ihrem Sinn nach nicht wesentlich voneinander unterscheiden, sind die Begriffe „Gegensatz“ und „Gegenteil“ hier nicht untereinander austauschbar, da sie jeweils zu feststehenden Redewendungen gehören, die nicht willkürlich verändert werden können.

Carola Jürchott

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