Die Negation der Negation


Von der Notwendigkeit eines Perspektivwechsels beim Übersetzen war an dieser Stelle schon häufiger die Rede, davon, dass ein „nicht“ jedoch nicht immer in der anderen Sprache auch „nicht“ bedeutet, jedoch noch nicht. Dies bitte ich jedoch unbedingt nur grammatisch aufzufassen und nicht etwa in Zusammenhang mit derzeit aktuellen Diskussionen zu bringen.
Mir geht es – wie immer in diesem Blog – um die rein sprachliche Seite, und bei dieser stoßen deutsche Muttersprachler schon an die ersten Grenzen, wenn sie im Russischunterricht lernen, dass Negativpronomen und Negationspartikeln, die mit „ни-“ beginnen, auch noch die Negation des Verbs erfordern. Das ist zunächst sehr gewöhnungsbedürftig, weil man ja schließlich im Deutschunterricht gelernt hat, dass eine doppelte Verneinung eine Bestätigung bedeutet.


Umgekehrt gilt nun allerdings dasselbe: Muttersprachler des Russischen (und anderer slawischer Sprachen) müssen im Deutschen aufpassen, dass sie diese doppelte Verneinung nicht verwenden, damit ihre beabsichtigte Aussage nicht ins Gegenteil verkehrt wird. So weit, so klar. Dennoch bereitet das „ни“ offenbar beim Übersetzen ins Deutsche immer wieder Schwierigkeiten, wenn es zum Beispiel in einer Konjunktivkonstruktion steht:

Der Einschub „какой бы она ни была“ enthält nämlich im Deutschen auch keinerlei Negation („wie sie auch immer sei“) und würde von einem Muttersprachler des Deutschen nicht mit „kein“ oder „nicht“ in Verbindung gebracht werden.

„Kritik gleicht der Arznei, die man, wie bitter sie auch nicht sei, hinunterschluckt, um gesund zu werden.“

Als ich diesen Satz las, an dessen Quelle ich mich leider nicht mehr erinnere, war mir sofort klar, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Russischen handeln musste, denn im Deutschen gibt es zwar mehrere Möglichkeiten, den Einschub auszudrücken, von denen jedoch keine eine Negationspartikel beinhaltet:


„wie bitter sie auch (immer) sei(n mag)“,
„so bitter sie auch (immer) sei(n mag)“ oder
„und mag sie noch so bitter sein“ / „und sei sie noch so bitter“.


Deshalb ist es immer ratsam, bei Konstruktionen dieser Art noch einmal genau darüber nachzudenken, ob sie von ihrem Sinngehalt wirklich eine Verneinung enthalten. Wenn nicht, ist im Deutschen Vorsicht geboten!

Carola Jürchott

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