Jahrestage über Jahrestage

Wie in jedem Jahr bietet der Jahresanfang auch diesmal eine gute Gelegenheit, sich einen Überblick über anstehende Jubiläen zu verschaffen. So liest man, dass Judy Garland und Doris Day demnächst 100 Jahre alt geworden wären, Molière hingegen bereits 400, Friedrich I. Barbarossa würde nun gar schon 900 Lenze zählen, und E. T. A. Hoffmann ist bereits vor 200 Jahren verstorben.
Wie aber formuliert man all diese Informationen unmissverständlich und sogar mathematisch richtig? Auch wenn die Frage lapidar wirken mag, möchte ich an dieser Stelle noch einmal darauf eingehen, obgleich die Jubiläen bereits Thema eines anderen Blogartikels hier waren. Doch auch in öffentlich-rechtlichen Medien hört man immer wieder Sätze, die einen in dieser Hinsicht aufhorchen lassen. So verkündete beispielsweise kürzlich der Moderator des von mir bevorzugten, auf kulturelle Themen spezialisierten Radiosenders:
„Gustave Flaubert: Heute jährt sich sein 200. Geburtstag.“
Etwas weiter zurück liegt die ebenfalls etwas verblüffende Nachricht:
„Heute jährt sich der 50. Todestag von Adorno.“


Verblüffend ist daran jedoch nicht die Tatsache, dass sich diese Daten jährten, sondern dass das einem renommierten Radiosender eine Meldung wert war. Schließlich jährt sich jeder Tag irgendwann einmal – und zwar genau nach einem oder entsprechend mehr Jahren.
Was hier gemeint war, ist jedoch nicht die Tatsache, dass sich der 200. Geburtstag Flauberts bzw. der 50. Todestag Adornos jährte – das wäre nämlich frühestens an Flauberts 201. Geburtstag respektive Adornos 51. Todestag der Fall und damit vermutlich wirklich nicht der Rede wert gewesen.
Gejährt hat sich in Flauberts Fall der Geburtstag selbst, und das zum 200. Mal. Das ist auch die Krux bei der Geschichte. Im Bestreben, den Anlass der Jubiläen möglichst kurz und prägnant zu formulieren, ist hier die mathematische Korrektheit auf der Strecke geblieben. Auch im Falle Adornos wäre die einzig richtige Variante gewesen: „Heute jährt sich Adornos Todestag zum 50. Mal.“

Ebenso jährt sich das Wiegenfest von Judy Garland und Doris Day nun zum 100. Mal und Hoffmanns Todestag zum 200.
In jedem Fall sollte man stets noch einmal prüfen, ob die kürzere Formulierung wirklich die bessere ist und ob sie vor allem immer noch genau das aussagt, wofür die ursprüngliche, längere eigentlich steht.

Carola Jürchott
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