Regierungskrisen in Österreich kann man sich von Deutschland aus zugegebenermaßen mit einer gewissen Gelassenheit ansehen. Für mich aber hatte die bisher letzte ihrer Art durchaus interessante Züge, hat sie doch bei mir zu einigem Erkenntnisgewinn auf sprachlicher Ebene beigetragen.
Natürlich weiß ich seit meinem ersten Aufenthalt in der Alpenrepublik vor mehr als 30 Jahren, dass Schlagsahne dort „Schlagobers“ heißt und Blumenkohl „Karfiol“. Schließlich hatte ich bei meinem ersten Blick in eine österreichische Speisekarte das unvergessliche Gefühl, in diesem Fall auch für das Deutsche ein Wörterbuch zu brauchen. (Für alle Liebhaber der Lexikografie: Es gibt tatsächlich ein Wörterbuch Österreichisch-Deutsch.)
Natürlich kann man sich die Bedeutung des „Erdapfels“ im Zweifelsfall erschließen. Schwieriger wird es da schon bei der Tomate, die in Österreich „Paradeiser“ heißt, und spätestens, wenn man in einem Kaffeehaus ein Heißgetränk bestellen möchte, ist man als „Piefke“, wie eingefleischte Österreicher uns Deutsche auch schon einmal ironisch oder abschätzig nennen, geneigt, angesichts der Fülle der „Schwarzen“, „Braunen“, „Einspänner“, „Kapuziner“ und „Verlängerten“ die Waffen zu strecken.
Der technische Fortschritt hat es inzwischen überflüssig gemacht, mit österreichischen Freunden darüber zu debattieren, ob ein Text nun „maschinschriftlich“ oder maschinenschriftlich vorliegt. Auch an die Aufforderung „Nur net hudeln!“, wenn etwas weder zu schnell noch zu oberflächlich erledigt werden sollte, habe ich mich in vielen Jahren deutsch-österreichischer Freundschaft gewöhnt, denn „schlussendlich wird es sich schon ausgehen“. Das sind alles Formulierungen, die ein Wiener Freund in seinen Mails an mich immer mit der augenzwinkernden Warnung „Achtung, Austriazismus!“ versah.
Die aktuellen Entwicklungen in Wien haben es allerdings mit sich gebracht, dass man auch als Deutscher noch tiefer in den politischen Sprachgebrauch der Österreicherinnen und Österreicher eintauchen konnte. Hatte man im Videotext des ORF die Ankündigung „Themen nach Einlangen“ erst einmal dahingehend entschlüsselt, dass diese bei Redaktionsschluss noch nicht vorlagen, konnte man sich zu gegebener Zeit auch mittels der Nachrichten des österreichischen Fernsehens informieren. Da war davon die Rede, dass der neue Bundeskanzler „angelobt“ werden müsse, der alte aber unter Umständen als „Obmann“ des „ÖVP-Klubs“ im Parlament bleiben könne.
Ich muss zugeben, während die „Angelobung“ anstelle der Vereidigung für mich noch nett antiquiert und der „Obmann“ als Vorsitzender geradezu vertrauenerweckend klingt, hat die Bezeichnung „Parlamentsklub“ für eine Fraktion in meinen Augen gerade angesichts der Ereignisse um Sebastian Kurz ein gewisses Geschmäckle, wie man hierzulande sagt, aber das ist ja schon wieder ein anderer Dialekt.
Das Österreichische als solches ist übrigens kein Dialekt, sondern eine Umgangssprache, denn Dialekte gibt es auch in Österreich deutlich mehr. Wer einmal einem Wiener und einem Sprecher aus Vorarlberg zugehört hat, weiß, dass es auch in unserem Nachbarland zwischen den einzelnen Dialekten erhebliche Unterschiede gibt.
Carola Jürchott
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