Von Nudeln, Bären und Verstauchungen

Kann man im Deutschen eigentlich jemandem Nudeln über die Ohren hängen? Diese Frage haben mir schon öfter russischsprachige Freunde gestellt, die des Deutschen nicht mächtig sind und bei dem Versuch gescheitert waren, einem Ausländer den Sinn dieser Redewendung deutlich zu machen. Sie, liebe Leser, wissen es: Natürlich kann man es nicht, denn Redewendungen lassen sich nun einmal in den meisten Fällen nicht wörtlich in eine andere Sprache übersetzen.
Im Deutschen kann man in eben jener Bedeutung, wenn man denn bei der Nudel bleiben möchte, jemanden auf die Nudel schieben. Diese Redewendung ist nach meiner Erfahrung jedoch nicht mehr allzu stark verbreitet und wird wohl eher regional von der älteren Generation verwendet und von der mittleren immerhin noch verstanden.

Ansonsten wird hier häufiger Meister Petz bemüht, denn jemandem einen Bären aufzubinden ist keineswegs aus der Mode gekommen. Auch in anderen Zusammenhängen bemüht man bei uns den braunen Waldbewohner. So kann man beispielsweise auf der Bärenhaut liegen, während man Däumchen dreht (hierbei handelt es sich de facto um Synonyme).

Eine Redewendung gibt es übrigens im Russischen und im Deutschen gleichermaßen: Hier wie dort kann man jemandem einen Bärendienst erweisen, was jedoch in keiner der beiden Sprachgemeinschaften ein gutes Ergebnis verspricht.Um ganz sicher zu gehen, sollte man lieber einmal öfter das gute alte Phraseologische Wörterbuch oder seine modernen online-Nachfahren zu Rate ziehen, denn verballhornte Redewendungen sind zwar lustig, wenn man sie bewusst verfälscht (das kann sogar ein Stilmittel sein – etwa um eine Romanfigur zu charakterisieren, die immer knapp danebengreift), tut man es jedoch unbewusst, wird man unter Umständen selbst belächelt.

Das gilt übrigens auch für Formulierungen, die ursprünglich einmal Zitate waren und nun in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind. So las ich vor vielen Jahren einmal in einer Übersetzung aus dem Russischen den Satz: „Das Jahrhundert ist verstaucht.“ Ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, an welcher Stelle dort etwas schiefgegangen war, da ich den Originaltext nicht zur Hand hatte.
Irgendwann kam mir die Erleuchtung, für die es im Deutschen ebenfalls ein geflügeltes Wort gibt: „Schlag nach bei Shakespeare!“ Es handelte sich nämlich um die wörtliche Übersetzung eines berühmten Satzes aus „Hamlet“. Im Russischen lautet er: „Век вывихнут“, und auch hier hätte ein Blick in einschlägige Quellen helfen können. Die deutsche Entsprechung, dafür, die ebenfalls in anderen Zusammenhängen verwendet wird, lautet nämlich: „Die Zeit ist aus den Fugen.“

Carola Jürchott

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