Bin ich wirklich nicht mehr auf der Höhe der Zeit? Altmodisch, ein Dinosaurier? Ich hoffe, nicht. Dennoch höre ich immer wieder, dass sich die Sprache ja auch verändert und dass man diesen Veränderungen beim Schreiben Rechnung tragen müsse.
Dem stimme ich natürlich zu – ich lebe ja nicht im philologischen Elfenbeinturm. Aber muss es wirklich um jeden Preis sein? Das möchte ich energisch verneinen. Meines Erachtens gibt es nach wie vor Dinge, an denen auch die vielbeschworene Entwicklung der Sprache nichts ändern sollte, wie etwa an der Tatsache, dass es einen Unterschied zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache gibt.
So begegnen mir bei der Korrektur literarischer Texte immer wieder Wörter wie „rauf“ und „runter“, „rein“ und „raus“ und all ihre lexikalischen Geschwister und sonstigen Verwandten. Wie oft ändere ich letztendlich „was“ in „etwas“ und „mal“ in „einmal“!
Liebe Leserinnen und Leser, verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Natürlich weiß ich, dass das auch Mittel sein können, um beispielsweise Dialoge lebendiger wirken zu lassen. Aber genau das ist der Punkt: Tauchen diese Formen in der wörtlichen Rede auf und dienen dazu, die individuelle Sprechweise einer handelnden Person zu charakterisieren, halte auch ich diese Varianten für durchaus begrüßenswert. Im reinen Erzähltext jedoch sollte man sich (natürlich je nach Textsorte) in der Regel an einem neutralen Funktionalstil orientieren. Hier ist die Schriftsprache nach wie vor vorzuziehen.
Die stilistische Markierung „umgangssprachlich“, die uns der Duden so bereitwillig präsentiert, dient genau dazu, die Umgangssprache von der Schriftsprache abzugrenzen, und alle Beispiele, die ich bisher erwähnt habe, tragen dort eben diesen Zusatz.
Ähnlich verhält es sich mit Formen wie „alleine“ statt „allein“, „gerne“ statt „gern“ und „vorne“ statt „vorn“. Einige von ihnen sind auch als „landschaftlich“ markiert, was ebenfalls ein Hinweis auf eine Verankerung in der Umgangssprache ist.
Natürlich ist die Unterscheidung zwischen geschriebener und gesprochener Sprache bei Weitem kein Spezifikum des Deutschen. Im Gegenteil: In anderen Sprachen ist der Unterschied mitunter noch viel stärker ausgeprägt. Aber gerade diese Vielzahl der stilistischen Möglichkeiten macht ja auch den Reichtum der Sprache und damit auch die Bandbreite der literarischen Varianten aus.
Deshalb möchte ich heute an Sie appellieren, lieber einmal öfter den Duden zu konsultieren, wenn Sie das eine oder andere Wort in Ihren Texten verwenden möchten – wer weiß, vielleicht bieten die unscheinbaren Abkürzungen wie „ugs.“, „landsch.“ oder auch „scherzh.“ Ihnen neue Erkenntnisse und bringen Sie auf neue Ideen zur sprachlichen Gestaltung!
Carola Jürchott