Immer schön der Reihe nach

Wie haben wir uns im Übersetzungsunterricht mit den verschiedenen Arten russischer Partizipien gequält! Brauchen wir für den konkreten Fall nun ein Partizip Präsens Aktiv oder doch ein Partizip Präteritum Passiv? Was immer es war, im Deutschen ließen sich diese russischen Konstruktionen meist nur durch Umschreibungen als Attribute oder ganze Nebensätze auflösen. Noch verzwickter aber waren die Adverbialpartizipien, denn hier gibt es die Kategorien der Gleichzeitigkeit und der Vorzeitigkeit, über die man meist noch einen Augenblick länger nachdenken muss.

Während es bei der Gleichzeitigkeit erprobte Übersetzungsverfahren gibt, um Sätze wie:

„Он ждал ее, читая книжку.“ zu übersetzen („Er wartete auf sie und las dabei ein Buch.“, „Während er auf sie wartete, las er ein Buch.“),

gibt es bei der Vorzeitigkeit (wie zum Beispiel in dem Satz „Прочитав книгу, я отложил ее в сторону.“) einiges mehr zu beachten.

Hier kommt es nämlich neben den lexikalischen Mitteln auch auf die Zeitform an. Hier kommen im Deutschen, wenn man grammatisch auf der sicheren Seite sein will, Konstruktionen zum Einsatz, die aus der Umgangssprache fast gänzlich verschwunden sind oder anders gebraucht werden, im schriftlichen Sprachgebrauch aber dennoch nicht vernachlässigt werden sollten.

Die wichtigste Orientierung bietet dabei die Zeitform der zweiten Handlung.

Steht diese bereits in der Vergangenheit, muss die dem vorausgehende Handlung in das Plusquamperfekt (die sogenannte Vorvergangenheit) gesetzt werden:

„Nachdem ich das Buch ausgelesen hatte, legte ich es zur Seite.“ Da „legte“ bereits eine Präteritumsform ist, erfordert es ein Plusquamperfekt im zeitlich vorausgehenden Nebensatz. Dabei ist die Stellung der Teilsätze zueinander nicht von Bedeutung, denn der Satz könnte, je nachdem, was damit ausgesagt werden soll, auch lauten: „Ich legte das Buch zur Seite, nachdem ich es ausgelesen hatte.“ Die Zeitformen bleiben davon unberührt.

Steht die semantisch nachfolgende Zeitform im Präsens, ist für die Vorzeitigkeit das Perfekt erforderlich:

„Nachdem ich das Buch ausgelesen habe, lege ich es zur Seite.“

Etwas komplizierter (dafür auch wesentlich weniger gebräuchlich) sieht die Futurform aus, denn hier treffen Futur I und Futur II im selben Satz aufeinander.

„Ich werde das Buch zur Seite legen, wenn ich es ausgelesen haben werde.“

Zugegeben, die letzte Variante ist tatsächlich fast nur noch buchsprachlich anzutreffen. Die Formen der Vergangenheit und Vorvergangenheit hingegen gehören zum täglichen Brot eines Autors, auch wenn sie selbst von deutschen Muttersprachlern bei Weitem nicht mehr so häufig verwendet werden, wie es grammatisch nötig wäre. Um den Leser aber nicht zu verwirren und ihm zu helfen, den zeitlichen Faden eines Textes nicht zu verlieren, sollte man jedoch das Plusquamperfekt nicht geringschätzen und auch bei den Zeitformen auf die Einhaltung der richtigen Reihenfolge bedacht sein.

Carola Jürchott

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