Wenn Nachrichten ins Leere laufen

Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Sie sich am Ende einer Nachricht um ihren eigentlichen Ausgang betrogen fühlen? Was hier so hart klingt, wird häufig durch ein einziges Wort verursacht. Dieses Wörtchen kann eigentlich gar nichts dafür, dass man hinterher nicht schlauer ist als vorher. Das Problem ist nämlich nicht das Wort selbst, sondern die Tatsache, dass es in letzter Zeit in Videotext & Co. geradezu inflationär verwendet wird. Gemeint ist das Wort „zunächst“.


Für das Adverb „zunächst“ (die gleichlautende, aber wesentlich seltener gebrauchte Präposition wird hier außer Acht gelassen, weil sie für dieses Problem nicht relevant ist) bietet allein schon der Duden eindeutige Synonyme: „anfänglich, anfangs, eingangs, vorerst, einstweilen“.


Daher ist es zumindest sprachlich völlig korrekt, wenn z. B. der Tagesspiegel folgende Schlagzeile veröffentlicht: „Impfstoffforscher der Charité: ‚Abstand zur zweiten Impfdosis gegen Covid-19 zeitlich strecken und zunächst möglichst vielen Menschen die Erstimpfung geben‘“. Schließlich wird damit deutlich gemacht, dass die Entscheidung, die für den Moment die richtige sein kann, später noch einmal revidiert wird.
Auch die folgende Einschätzung in einer Rezension ist völlig korrekt: „Überraschenderweise verzichtet die Fotografin in diesem Buch zunächst auf die Einordnung der Fotografien“, denn wenige Sätze danach folgt die Information, dass „erst am Ende des Buches die Begleitumstände erläutert“ werden.


Wenn also die logische Abfolge oder der Kontext der Äußerung klären, was nach dem zunächst eingetretenen Umstand folgte, ist gegen die Verwendung dieses Adverbs überhaupt nichts einzuwenden.
Häufig ist es aber inzwischen so, dass eben diese Erklärung ausbleibt. So lässt ein Satz wie: „Sein weiteres Schicksal war zunächst unbekannt“ den Leser buchstäblich im Regen stehen, wenn auch später im Text nie aufgelöst wird, was aus dem Protagonisten geworden ist. Dann war sein Schicksal nämlich nicht „zunächst unbekannt“, sondern ist es bis heute.
Ebenso verhält es sich mit Meldungen, die mit Sätzen enden wie: „Die Unfallursache war zunächst unbekannt.“ Das suggeriert nämlich, dass sie inzwischen aufgeklärt ist. Dann wiederum würde es die journalistische Praxis gebieten, diese Ursache auch zu nennen.


Stattdessen habe ich das Gefühl, dass „zunächst“ inzwischen häufig verwendet wird, um zu verdeutlichen, dass die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind o. Ä. Dies sind dann allerdings tatsächlich Nachrichten, die ins Leere laufen, weil der Gebrauch des Adverbs „zunächst“ in der Kombination mit einer Vergangenheitsform darauf hindeutet, dass der beschriebene Umstand bereits vorbei ist. Lässt man den Leser nun aber über den weiteren Verlauf oder das Resultat im Unklaren, betrügt man ihn tatsächlich um einen wesentlichen Teil der Information.


Deshalb sollte man in den Fällen, in denen das Ergebnis zu dem Zeitpunkt, da der Text verfasst wird, noch nicht vorliegt, lieber auf das Präsens und Wörter wie „bisher“, „noch immer“ oder „bis heute“ ausweichen, denn dann wird klar, dass der Ausgang nach wie vor ungewiss ist.

Carola Jürchott
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