Wer mit wem?

Vor einiger Zeit las ich in einem Text einen Satz mit folgender Struktur: „Und dann organisierten wir mit meinen Kollegen eine Feier.“ Fast hätte ich darüber hinweggelesen, doch plötzlich läutete in einer hinteren Gehirnwindung ein Alarmglöckchen. Es schrillte nicht, und es war auch keine große Glocke, aber irgendetwas sagte mir: Hier stimmt etwas nicht. „… wir mit meinen Kollegen?“ Wer ist denn „wir“? Natürlich – gemeint war: „meine Kollegen und ich“.

Diese Konstruktionen mit „мы с“, die im Russischen so häufig verwendet werden, sind, scheint es mir etwas tückisch, denn sie springen einem im deutschen Sprachgebrauch gar nicht so sehr ins Auge wie andere Russizismen. So habe ich schon Menschen, die komplett zweisprachig aufgewachsen waren und beide Sprachen wirklich aus dem Effeff beherrschten, Dinge sagen hören wie. „Dort haben wir mit Barbara das und das gemacht.“

Genau das ist das Tückische:

Es klingt grammatisch nicht falsch, und erst beim näheren Hinsehen (oder Hinhören) kommt man darauf, dass das, was da gerade gesagt wurde, im Deutschen nicht sein kann. Es waren nämlich nicht mehrere Leute, die mit noch einer weiteren Person (in diesem Falle Barbara) etwas gemacht haben, beteiligt waren insgesamt nur zwei Menschen: Barbara und der Sprecher selbst.
Sagt man im Deutschen etwas wie: „Wir sind mit ihm dorthin gegangen“, stehen auf der Seite des „wir“ gedanklich mindestens zwei Personen (z.B. Eltern etc.) und auf der anderen Seite eben der oder die Genannten. Es ist also völlig richtig zu sagen: „Wir sind mit unserer Tochter zum Augenarzt gegangen“, wenn sich die ganze Familie dorthin auf den Weg gemacht hat.

Handelt es sich bei den Akteuren jedoch insgesamt nur um zwei Personen, ist die korrekte Formulierung: „Barbara und ich“. So wurde übrigens auch der Titel der Erzählung „Мы с Мишкой“ von Nikolai Nossow, die in der DDR in einer adaptierten Form im Russischunterricht verwendet wurde, übersetzt mit: „Mischka und ich“. Dasselbe gilt auch für größere Gruppen, wenn auf der Seite des Sprechers nur der Sprecher selbst steht wie bei „meine Kollegen und ich“ im oberen Beispiel.
Bleibt nur noch hinzuzufügen, dass in all diesen Fällen noch eine weitere Regel gilt, die im Volksmund etwas drastisch formuliert wird:

„Der Esel nennt sich selbst zuletzt.“

Das heißt, dass der jeweilige Sprecher oder Schreiber immer erst alle anderen aufzählen sollte, bevor er sich selbst nennt, also „Barbara und ich“ statt „ich und Barbara“. (Die Alarmglocke, die im letzteren Fall schrillt, ist übrigens bei den meisten deutschen Muttersprachlern ganz eindeutig vorhanden, weil es einem hier schon im Kindergarten beigebracht und mit der oben genannten Regel immer wieder korrigiert wird, bis es einem geradezu in Fleisch und Blut übergegangen ist.)

Carola Jürchott

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