Der Nominativ ist aller anderen Fälle Tod

Zu diesem, einem bekannten Buchtitel entlehnten, Schluss könnte man kommen, wenn man ein wenig den Gesprächen an der Supermarktkasse oder unter Schülern lauscht.
„Wie viel kostet das?“
„Ein Euro achtundvierzig.“
Warum „ein Euro“ und nicht „einen Euro“? Was ist aus dem guten alten Akkusativ geworden?
„Bei wem habt ihr Mathe?“
„Bei Herr Müller.“
Nanu? Seit wann verlangt denn die Präposition „bei“ keinen Dativ mehr? Oder ist der Dativ von „Herr“ inzwischen nicht mehr „Herrn“? Weit gefehlt – zumindest laut dem guten alten Duden.
Auch dem Genitiv geht es nicht besser. So findet man auf der Webseite einer Gesamtschule die höchst fragwürdige Überschrift: „Herr Müller’s Abschied“. Abgesehen vom Apostroph, über dessen Überflüssigkeit in einer solchen Formulierung an dieser Stelle und anderenorts schon vieles geschrieben wurde, ist hier wohl nicht einmal den Deutschlehrern der entsprechenden Schule aufgefallen, dass es nur eine Möglichkeit gibt, Herrn Müllers Abschied sprachlich korrekt zu begehen.

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Gleichrangig oder nicht?

Mit Korrekturen ist es so eine Sache. Wenn sie berechtigt sind, sind sie natürlich sehr hilfreich und bringen ein Werk voran, weshalb die Frage in der Überschrift auch keinesfalls auf eine Hierarchie zwischen den an der Entstehung eines Textes beteiligten Personen hindeuten soll. Dennoch sind auch Korrektoren nur Menschen und daher nicht unfehlbar. Dessen sollten sich beide Seiten – Korrektor und Autor – stets bewusst sein und, wenn sie sich nicht hundertprozentig sicher sind, lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nachschlagen.


Genau so erging es mir kürzlich, als ich einen von mir übersetzten literarischen Text korrigiert zurückbekam. Bei der Durchsicht der Korrekturen stellte ich fest, dass sich ein großer Teil von ihnen auf die Kommasetzung zwischen zwei Adjektiven bezog. So war aus meiner Formulierung „sein glänzendes perlweißes Fell“ nun „sein glänzendes, perlweißes Fell“ geworden und aus einem „dünnen blutroten Streifen“ ein „dünner, blutroter Streifen“.
Sollte ich mich so getäuscht haben? Ich hätte schwören können, dass zwischen zwei Attributen nur dann ein Komma gesetzt wird, wenn es sich um gleichrangige Adjektive handelt, zwischen denen ebenso gut ein „und“ stehen könnte.

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Es irrt der Mensch, solang er strebt

Dieses berühmte Zitat aus dem „Prolog im Himmel“, der den ersten Teil von Goethes „Faust“ einleitet, ist sicher den meisten bekannt, und so bietet es auch den perfekten Einstieg in das Thema dieses Beitrags. Häufig stoße ich nämlich beim Lektorieren von Texten auf Formulierungen, in denen die Begriffe „Streben“ und „Bestreben“ verwechselt werden, weil sie für komplette Synonyme gehalten werden, was jedoch im Deutschen nicht der Fall ist.

So kann es durchaus Bestrebungen geben, diese Bedeutungen zu vereinheitlichen, danach zu streben wäre jedoch sicher zu viel des Guten. Auch hier steckt, wie so häufig, der Teufel im Detail. Während das Streben darauf ausgerichtet ist, ein großes und ganzheitliches Ziel zu erreichen (das Streben nach Macht, das Streben nach Geld oder, wie im Falle Fausts, das Streben nach Erkenntnis), können Bestrebungen auch auf kleinere oder Etappenziele gerichtet sein.

Das Streben ist mit einem hohen Maß an Aufwand und Anstrengung verbunden. Nicht umsonst unterstellt man einem Streber implizit, er würde Tag und Nacht an nichts anderes als an die Schule denken. Das Bestreben hingegen ist einfach der Ausdruck einer Absicht oder eines Ziels.
So findet man bei der Begriffsdefinition im Duden auch beim „Streben“ Attribute wie „energisch, zielbewusst, unbeirrt“ und die Erklärung „mit aller Kraft […] danach trachten, etwas Bestimmtes zu erreichen“, während das Bestreben lediglich dem Bemühen ohne eine weitere Verstärkung gleichgesetzt wird.

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