Es ist alles relativ …

„Das ist das schönste Buch, was ich gelesen habe.“

Diesen oder einen ähnlich formulierten Satz haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, sicher auch schon des Öfteren gehört oder – schlimmer noch – gelesen. Sie fragen sich, was daran falsch sein könnte? Eigentlich nichts – wenn mit diesem Satz gemeint ist, dass jemand gelesen hat, dass dies das schönste Buch sei. Möchte man aber ausdrücken, dass dieses eine Buch das schönste ist, müsste es korrekt heißen:

„Das ist das schönste Buch, das ich gelesen habe.“

Beim zweiten Satzteil handelt es sich nämlich um einen Relativsatz, der sich entweder auf die Aussage des gesamten ersten Teils beziehen kann (dann wäre „was“ richtig) oder auf das Buch und damit das letzte sächliche Substantiv vor dem Komma (dann sollte dort unbedingt „das“ stehen).

Ich gebe zu, dass diese Unterscheidung schon relativ spitzfindig ist, denn auch in Texten von Menschen, die nie eine andere Sprache als Deutsch gesprochen oder geschrieben haben, ist der Gebrauch der beiden Relativpronomina häufig sehr verschwommen. Meist macht man sich selbst gar nicht klar, dass zwischen ihnen überhaupt ein semantischer Unterschied besteht. Deutlicher wird es vielleicht noch im folgenden Beispiel: „Es ist alles relativ …“ weiterlesen

Das reinste Hin und Her

„Geh’n wir mal rüber, geh’n wir mal rüber, geh’n wir mal rüber zum Schmied seiner Frau …“

Dafür, dass solche überlieferten Texte nicht immer als Beispiel für grammatisch richtige Formulierungen dienen können oder sollten, ist dieses Volkslied der beste Beleg. Abgesehen von dem mehr als fragwürdigen und wirklich nur im Dialekt erlaubten Genitiv, tritt hier noch ein anderes Problem zutage, mit dem ich bei meinen Korrekturarbeiten immer wieder zu tun habe.

Streng genommen, müsste man nämlich singen: „Geh’n wir mal ’nüber…“, denn hier geht es wieder einmal um den Standpunkt dessen, der diese Äußerung tätigt.

In diesem Fall ist damit der Standpunkt in seinem absolut buchstäblichen Sinn gemeint. Verläuft nämlich die mit dem jeweiligen Verb bezeichnete Handlung (wobei es egal ist, ob es sich um ein Bewegungsverb oder ein anderes – wie zum Beispiel „schauen“ – handelt) vom Redner weg zu einem anderen Punkt, ist die richtige Form immer die Variante mit „hin-“: „hinüber“, „hinunter“, „hinein“. Der Beispielsatz, der das am besten verdeutlicht, ist: „Ich gehe dorthin.“ „Das reinste Hin und Her“ weiterlesen

Gleich und gleich gesellt sich gern …

„Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es noch lange nicht dasselbe.“

Mit diesen beiden Sprichwörtern bin ich großgeworden, und während es für das erste durchaus auch Entsprechungen in anderen Sprachen gibt (z. B. „Рыбак рыбака видит издалека.“), dürfte eine Entsprechung für das zweite wesentlich schwerer zu finden sein. Hier wird nämlich mit einer Besonderheit des Deutschen gespielt, die auch Muttersprachlern häufig Schwierigkeiten bereitet – meist, ohne dass sie sich dessen selbst bewusst sind.

Es geht um den Unterschied zwischen „dasselbe“ und „das Gleiche“. Selbst wenn wir die unterschiedliche Rechtschreibung an dieser Stelle einmal außer Acht lassen, gibt es doch einen auf den ersten Blick kleinen, aber dennoch feinen Unterschied: Während „dasselbe“ immer das eine konkrete Substantiv (sei es nun ein Gegenstand, eine Person oder ein Ort) bezeichnet, ist mit dem „Gleichen“ etwas Gleichartiges gemeint. „Gleich und gleich gesellt sich gern …“ weiterlesen

Singular oder Plural?

Man könnte meinen, es sei nichts einfacher, als diese Frage zu beantworten – schließlich sieht man ja, ob etwas einfach oder mehrfach vorhanden ist. Spätestens aber, wenn man als deutscher Muttersprachler erfährt, dass es im Russischen den Schlitten und die Brille nur im Plural gibt, stößt man bereits an die ersten Grenzen dieser Theorie. Ganz zu schweigen davon, dass im Deutschen sowohl die „Hose“ als auch die „Hosen“ einen Singular bezeichnen können – und das sogar noch vom Duden mit der Bemerkung „häufig auch im Plural mit singularischer Bedeutung“ gestattet.

Richtig schwierig wird es aber bei Substantiven in Verbindung mit Adjektiven. So musste auch ich erst lernen, dass meine korrekte Berufsbezeichnung im Russischen „переводчик русского и болгарского языков“ lautet. Als deutscher Muttersprachler würde man hier das Substantiv instinktiv in den Singular setzen.

Dennoch ist die russische Variante eine sehr schöne Möglichkeit, deutlich zu machen, dass etwas zwar gleichartig ist, aber eben doch unterschiedliche Dinge bezeichnet, und zwar in diesem Fall „die russische und die bulgarische Sprache“. „Singular oder Plural?“ weiterlesen

Augen auf bei der Partnerwahl!

Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser, unser Sprachblog soll keineswegs zur Lebenshilfe mutieren, wie man bei der Überschrift vielleicht vermuten könnte. Es geht hier nach wie vor um sprachliche Stolpersteine bzw. vielmehr darum, wie man sie möglichst effektiv vermeiden kann. Auch das kann mitunter eine Frage der richtigen Partnerwahl sein.

In diesem Blog war bereits davon die Rede, dass bestimmte Begriffe gar nicht so spezifisch russisch oder noch eher sowjetisch waren, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. In diesem Zusammenhang habe ich bereits aus dem Nähkästchen des Übersetzers geplaudert. Kürzlich ist mir jedoch beim Lesen eines deutschlandweit bekannten und rezensierten Bestsellers aufgefallen, dass das gar nicht nur zur Debatte steht, wenn von einer Sprache in eine andere übersetzt wird, sondern auch, wenn vermeintlich nur mit einer einzigen Sprache operiert wird. „Vermeintlich“ sage ich deshalb, weil dieses Argument spätestens dann nicht mehr greift, wenn in einem einsprachigen Text verschiedene Kulturen zum Tragen kommen. „Augen auf bei der Partnerwahl!“ weiterlesen

Zeichen setzen mit Zeichensetzung (3)

Im letzten Beitrag dieser kleinen Serie möchte ich noch einmal genauer auf einige Unterschiede in der Kommasetzung zwischen dem Deutschen und dem Russischen eingehen, die mir bei der Korrektur von Texten immer wieder auffallen. Natürlich würde es den Rahmen sprengen, hier die gesamte Kommasetzung im Deutschen zu erläutern, das kann der Duden weit besser als ich. Unterschiede zwischen den beiden hier relevanten Sprachen sollen aber beleuchtet werden, weil sie unter Umständen „verraten“, dass der Autor des Textes nicht immer auf Deutsch geschrieben hat.

So werden Adverbien wie „natürlich“ oder „beispielsweise“ oder auch die Wortfügung „zum Beispiel“ im Deutschen nicht in Kommas eingeschlossen:

„Das war natürlich die beste Entscheidung seines Lebens.“

„Wenn du beispielsweise einen Strudel backen möchtest, brauchst du Blätterteig.“

„In Moskau gibt es zum Beispiel sieben dieser Hochhäuser.“

Anders verhält es sich lediglich, wenn „natürlich“ einen Satz quasi als Ausruf einleitet, doch das ist ein Sonderfall:

„Natürlich, das war die beste Entscheidung seines Lebens!“

Auch „bitte“ wird in der Regel ohne Kommas verwendet:

„Kannst du mir bitte diese Informationen schicken?“

„Bitte schreibe mir, ob du gut angekommen bist!“ „Zeichen setzen mit Zeichensetzung (3)“ weiterlesen

Zeichen setzen mit Zeichensetzung (2)

Im vorigen Blogeintrag ging es um die Verwendung von Gedankenstrichen und Doppelpunkten. Einer der häufigsten „Kollisionspunkte“ dieser beiden Satzzeichen im Russischen und Deutschen ist die wörtliche Rede, erst recht, wenn sie durch einen Hauptsatz eingeleitet oder durch einen Nebensatz abgeschlossen wird.

Im Gegensatz zum Russischen kennt das Deutsche die Markierung einer Dialogpassage mit Anstrichen gar nicht. Das führt bei Übersetzungen aus dem Russischen unter Umständen auch zu Irritationen, weil für einen deutschen Leser im Russischen nicht immer klar erkennbar ist, wo die wörtliche Rede eigentlich endet.

Im Deutschen werden grundsätzlich Anführungszeichen verwendet, und zwar in der grafischen Form „…“ oder, ähnlich dem Französischen, »…«. Bei der Verwendung der zweiten Form ist zu beachten, dass die Häkchen im Vergleich zum Russischen genau entgegengesetzt sind, also mit ihren Spitzen nach innen zeigen und nicht, wie etwa bei der Datumsangabe auf russischen Formularen, nach außen. Auch Anführungsstriche, die sowohl vor der wörtlichen Rede als auch danach oben stehen, sind im Deutschen nicht üblich, sondern aus dem Englischen übernommen und gelten im Deutschen als typografischer Fehler. „Zeichen setzen mit Zeichensetzung (2)“ weiterlesen

Zeichen setzen mit Zeichensetzung (1)

Eine der beim diesjährigen Autorenseminar in Oerlinghausen am häufigsten gestellten Fragen war die nach den Unterschieden bei der Interpunktion im Russischen und im Deutschen. Auch ich halte diese Frage für sehr relevant, weil ich beim Korrekturlesen immer wieder feststelle, dass das einer der Punkte ist, mit denen sich selbst Autoren schwertun, die seit Jahren sehr gut und auch erfolgreich auf Deutsch schreiben. Deshalb möchte ich in diesem und den zwei kommenden Beiträgen auf wichtige Punkte eingehen, in denen sich die Zeichensetzung der beiden Sprachen erheblich voneinander unterscheidet.

Der Gedankenstrich wird im Russischen wesentlich häufiger verwendet als im Deutschen. So ist es im Deutschen durchaus üblich, etwa ein Verb, das sich auf mehrere Personen bezieht, einfach wegzulassen, ohne die Auslassung jedoch durch einen Gedankenstrich zu kennzeichnen:

„Er war vierzehn Jahre alt und ich erst zwölf.“ „Zeichen setzen mit Zeichensetzung (1)“ weiterlesen

Wer mit wem?

Vor einiger Zeit las ich in einem Text einen Satz mit folgender Struktur: „Und dann organisierten wir mit meinen Kollegen eine Feier.“ Fast hätte ich darüber hinweggelesen, doch plötzlich läutete in einer hinteren Gehirnwindung ein Alarmglöckchen. Es schrillte nicht, und es war auch keine große Glocke, aber irgendetwas sagte mir: Hier stimmt etwas nicht. „… wir mit meinen Kollegen?“ Wer ist denn „wir“? Natürlich – gemeint war: „meine Kollegen und ich“.

Diese Konstruktionen mit „мы с“, die im Russischen so häufig verwendet werden, sind, scheint es mir etwas tückisch, denn sie springen einem im deutschen Sprachgebrauch gar nicht so sehr ins Auge wie andere Russizismen. So habe ich schon Menschen, die komplett zweisprachig aufgewachsen waren und beide Sprachen wirklich aus dem Effeff beherrschten, Dinge sagen hören wie. „Dort haben wir mit Barbara das und das gemacht.“

Genau das ist das Tückische: „Wer mit wem?“ weiterlesen

Eine Frage des Stils

Bin ich wirklich nicht mehr auf der Höhe der Zeit? Altmodisch, ein Dinosaurier? Ich hoffe, nicht. Dennoch höre ich immer wieder, dass sich die Sprache ja auch verändert und dass man diesen Veränderungen beim Schreiben Rechnung tragen müsse.

Dem stimme ich natürlich zu – ich lebe ja nicht im philologischen Elfenbeinturm. Aber muss es wirklich um jeden Preis sein? Das möchte ich energisch verneinen. Meines Erachtens gibt es nach wie vor Dinge, an denen auch die vielbeschworene Entwicklung der Sprache nichts ändern sollte, wie etwa an der Tatsache, dass es einen Unterschied zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache gibt.

So begegnen mir bei der Korrektur literarischer Texte immer wieder Wörter wie „rauf“ und „runter“, „rein“ und „raus“ und all ihre lexikalischen Geschwister und sonstigen Verwandten. Wie oft ändere ich letztendlich „was“ in „etwas“ und „mal“ in „einmal“!

Liebe Leserinnen und Leser, verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Natürlich weiß ich, dass das auch Mittel sein können, um beispielsweise Dialoge lebendiger wirken zu lassen. Aber genau das ist der Punkt: Tauchen diese Formen in der wörtlichen Rede auf und dienen dazu, die individuelle Sprechweise einer handelnden Person zu charakterisieren, halte auch ich diese Varianten für durchaus begrüßenswert. Im reinen Erzähltext jedoch sollte man sich (natürlich je nach Textsorte) in der Regel an einem neutralen Funktionalstil orientieren. Hier ist die Schriftsprache nach wie vor vorzuziehen. „Eine Frage des Stils“ weiterlesen