Können Übersetzer Korrektur lesen? Ja, und es ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Sei es nun zweisprachig, um das Vier-Augen-Prinzip zu wahren (ein Übersetzer übersetzt einen Text, ein anderer liest Korrektur) und damit für die Qualitätssicherung zu sorgen, oder einsprachig als Teil des eigenen Geschäftsmodells. So weit, so klar, und einige Autoren, die sich auf eine Sprache festgelegt haben und ausschließlich in dieser schreiben, werden sich nun vielleicht fragen: Was geht uns das an? Interessant für diesen Blog ist genau die Schnittmenge aus den beiden oben beschriebenen Tätigkeitsfeldern, wenn in einem Text in der einen Sprache Dinge und Ereignisse beschrieben werden, die zur Geschichte eines anderen Landes gehören. In diesem Fall kann ein kleiner Einblick in die Arbeitswelt eines Übersetzers meines Erachtens nicht schaden.
In den Texten russlanddeutscher Autoren, die ich zum Lesen bekomme, geht es häufig um Erfahrungen aus der Zeit der Sowjetunion. Daher liegt es in der Natur der Sache, dass darin Begriffe auftauchen, die vermeintlich einzigartig sowjetische Realia bezeichnen. Ich schreibe bewusst „vermeintlich“, denn bei dem Versuch, diese dem deutschen Leser nahezubringen, wird ein Aspekt häufig außer Acht gelassen. So las ich neulich in einem solchen Text das Wort „Pionierführerin“, das offensichtlich auf das russische „пионервожатая“ zurückging. Abgesehen davon, dass sich die deutsche Gegenwartssprache mit Wortzusammensetzungen, die den Bestandteil „-führer“ enthalten, ohnehin schwertut, war sich der Autor offensichtlich nicht der Tatsache bewusst, dass es für genau diese Begriffe „Aus dem Nähkästchen geplaudert (1)“ weiterlesen