Aus dem Nähkästchen geplaudert (2)

Im vorigen Blogeintrag habe ich bereits aus dem Nähkästchen der Übersetzer geplaudert und möchte das in dieser Woche noch ein wenig fortsetzen. Ebensolcher Aufmerksamkeit wie Realienbezeichnungen bedürfen nämlich Eigennamen und Zitate. Eigennamen wie zum Beispiel Produktbezeichnungen werden häufig nicht übersetzt, sondern einfach übernommen. So gab es in der DDR beispielsweise auch Fernseher mit den Namen „Junost“ und „Raduga“, und jeder wusste, dass die Regierungsfahrzeuge „Tschaika“ (und nicht etwa „Möwe“) hießen. Hierbei ist nur darauf zu achten, dass das grammatische Geschlecht sich unter Umständen verändern kann. So sind der Lada und der Machorka im Deutschen männlich, während die Matroschka und der Samowar ihr jeweiliges Geschlecht behalten durften. In diesen Fällen hilft einem aber meist sogar schon der Duden weiter.

Auch bei Zitaten ist es manchmal ratsam, auf Praktiken zurückzugreifen, die zum Handwerk der Übersetzer gehören. Dass es Bibelzitate in beiden Sprachen gibt, versteht sich von selbst, und deshalb sollte man sie auf keinen Fall selbst neu übersetzen. Hier muss man im Deutschen jedoch eventuell darauf achten, für wen der Text bestimmt ist, und danach die jeweils passende Bibelübersetzung auswählen. Zumindest in evangelisch geprägten Regionen ist die Luther-Übersetzung die geläufigste, während die katholische Kirche mit der Einheitsübersetzung arbeitet.

Doch auch bei anderen Zitaten sollte man sich die Mühe machen zu recherchieren. Viele ursprünglich russische Texte sind bereits auf Deutsch veröffentlicht worden, und dann ist es üblich, auch diese publizierte Variante zu verwenden und das Zitat nicht einfach selbst zu übersetzen. Das betrifft einerseits natürlich literarische Texte – allein der Fundus der in der DDR aus dem Russischen übersetzten Werke sowohl der Lyrik als auch der Prosa ist schier unerschöpflich, und danach ging es ja zum Glück mit den Publikationen weiter. Allerdings führte das auch dazu, dass es von den wichtigen Werken aus der Zeit zwischen 1949 und 1989 in der Regel zwei verschiedene Übersetzungen gibt, sodass auch dem Leser, der in der alten Bundesrepublik großgeworden ist, der DDR-Titel vielleicht nicht auf den ersten Blick bekannt ist. Dieses Risiko kann man, denke ich, als Autor aber verkraften. Schließlich gibt es ja in Russland auch verschiedene Übersetzungen der deutschen Klassiker, was umgekehrt nicht anders ist.

Andererseits geht es hierbei auch um Filmtitel, Namen von Zeitungen und Zeitschriften. So gab es Periodika wie den „Sputnik“, die „Sowjetunion“, die „Sowjetliteratur“ und die „Sowjetfrau“ auch auf Deutsch, während „Ogonjok“, „Komsomolskaja Prawda“ und „Iswestija“ unter ihren russischen Namen auch hierzulande bekannt sind. Selbst Lieder wurden häufig nachgedichtet, und so sollte man dem deutschen Leser schon den Wiedererkennungseffekt gönnen, indem man auf die verfügbaren Übertragungen zurückgreift. Wer kein Liederbuch aus DDR-Zeiten zur Hand hat, kommt auch hier mit dem Internet bedeutend weiter. Das betrifft übrigens nicht nur ursprünglich russische Lieder wie „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ oder die „Moskauer Nächte“, sondern auch internationale Lieder, die in beide Sprachen übersetzt wurden wie die „Internationale“ oder die „Warschawjanka“.

Carola Jürchott

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