Lasst uns froh und munter sein

Nein, liebe Leserinnen und Leser, mit der Überschrift dieses Blogbeitrags habe ich mich nicht in der Jahreszeit geirrt, und ich habe auch nicht vor, den Supermärkten nachzueifern, in denen es schon seit Ende August wieder Lebkuchen zu kaufen gibt. Mir geht es heute um ein Phänomen, dass aus dem zitierten Liedtext nur teilweise ersichtlich wird – und zwar „teilweise“ im wahrsten Sinne des Wortes -, denn hier wurde die Konstruktion „lasst uns“ völlig richtig gebraucht.
Folgt darauf ein nicht reflexives Verb, stellt diese Art der Aufforderung auch kein Problem dar. Anders verhält es sich jedoch bei reflexiven Verben. Wie es in diesem Blog bereits an anderer Stelle thematisiert wurde, muss im Deutschen das Reflexivpronomen jeweils der grammatischen Person des Verbs angepasst werden. Wird also „sich treffen“ in der ersten Person Plural verwendet, muss es natürlich heißen „wir treffen uns“. Was passiert aber, wenn diese Konstruktion mit der Aufforderung „lass(t) uns …“ in Einklang gebracht werden soll? Dann steht das Wörtchen „uns“ auf einmal zweimal in dem jeweiligen Satz. Kann man es deshalb – wie es etwa bei gemeinen Brüchen in der Mathematik üblich ist – sozusagen „herauskürzen“?


Lauscht man der Generation unserer Teenager und ihrem fast allgegenwärtigen „lass uns mal treffen“, könnte man zu diesem Schluss kommen, und auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist vor Formulierungen wie „lasst uns zusammensetzen“ nicht gefeit Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass in beiden Fällen ein „uns“ fehlt. Vermutlich kann man sich darüber streiten, welches der beiden Pronomen hier vergessen wurde; ich für meinen Teil tendiere zu der Annahme, dass es das Reflexivpronomen ist, das in diesem Satz dran glauben musste. Schließlich könnte man ja „zusammensetzen“ auch transitiv gebrauchen, etwa, wenn die Rede von einem Mosaik ist. Dann müsste es allerdings heißen „lasst ES uns zusammensetzen“. Auch mit dem „Treffen“ ist es so eine Sache. So könnten sich beispielsweise Jäger rein hypothetisch verabreden, ein Wildschwein zur Strecke zu bringen: „Lasst es uns treffen.“
Es gibt nur einen Kontext, in dem ich mir die eingangs erwähnte verkürzte Formulierung als korrekt vorstellen kann: Wenn die besagten Jäger eine Weile lang, ob nun absichtlich oder aus Versehen – immer wieder danebengeschossen haben, könnte einer von ihnen seine Mitstreiter zur Konzentration mahnen: „Lasst uns mal treffen!“ Eine Variation dieser Situation könnte sich am Schießstand ergeben, wenn einer der Jäger die anderen etwa beim Schießen stört oder selbst alle möglichen Punkte erzielt. Dann wäre es nur zu verständlich, wenn seine Weidgenossen ihm zuriefen: „Lass uns (auch) mal treffen!“


In allen anderen Fällen ist es auch hier unbedingt nötig zu spezifizieren, wen oder was man denn nun treffen möchte. Diese Notwendigkeit wird nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass es sich beim Verb um eine reflexive Form handelt. Da kann die Rechtschreibprüfung des Textverarbeitungsprogramms noch so oft das „wiederholte Wort“ monieren – in diesem Fall ist die Dopplung richtig und gewollt. Schließlich ist das eine „uns“ das Reflexivpronomen und das andere das Akkusativobjekt zu „lassen“.
Eine mögliche Eselsbrücke dafür lieferte mir neulich ausgerechnet das Navigationssystem meines Autos, als es mich aufforderte: „Bitte halten Sie sich links!“ Bringen wir diese Maßgabe in Verbindung zu der Konstruktion, um die es hier geht, wird der Unterschied zwischen dem reflexiven und dem nicht reflexiven Verb schnell deutlich. Während man nach der Aufforderung „Lass(t) uns links halten!“ an den linken Straßenrand fährt und den Motor abstellt, setzt man nach dem Satz „Lass(t) uns uns links halten!“ die Fahrt fort und biegt einfach an einer Straßengabelung links ab.
Denn, wie gesagt, auch wenn es zunächst verführerisch wirken mag, ist das „Kürzen“ von Dopplungen trotz aller Tendenzen zur Sprachökonomie in der Grammatik nicht erlaubt!

Carola Jürchott
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