Neue Gedichte von Andreas Peters

Lyrik aus dem Buch Mitteilungen einer Saatkrähe, Details siehe unter: www.brotundkunst.com/petersandreas

EWIGES FEUER

ich bin mit dem unbekannten
soldaten aufgewachsen beim

ewigen feuer. er kam wenigstens
aus dem krieg. der vater nicht.

meine mutter hätte ihn geheiratet,
andere witwenbräute hatten was

dagegen. er hielt wache tag und
nacht, im sommer und im winter.

jede feier fand zu seinen füßen
statt. er trat nicht mit füßen unsre

wodkalieder, treuebrüche. bei der
eidesformel legte ich meine hand

ins feuer. tschetschenienkrieger
legten ihre prothesen ins feuer.

afghanistanveteranen hielten die
krückenszepter über die flammen.

noch lange nach dem tod des
unbekannten soldaten hielt ich ihn

für einen schutzengel und dachte,
es wird ewig so bleiben.

I

MAMMOGRAFIE

mama, geh zur mammo,
papa war schon beim pappo.
sagt die kleine giraffi
zum
hals voller choreogra´fie.

II

LIEBESSPIELE

Hyäne spielt mit Hyäne ein
Mixed-Tennis, schlägt nach
Advantage ein Schnäppchen-AS. „Neue Gedichte von Andreas Peters“ weiterlesen

Autorenfachtagung „Feder – Kuli – Tastatur 3“ in Nürnberg

Annelore Engel-Braunschmidt: „Ihr müsst selbst den Kreis durchbrechen.“

Zum dritten Mal lud die Landesgruppe Bayern der LmDR russlanddeutsche Autoren, Kulturschaffende und Kulturvermittler der landsmannschaftlichen Gliederungen zur Fachtagung „Feder – Kuli – Tastatur“ für schreibende Kreative ein, die vom 23. bis 25. Juni 2017 in Nürnberg stattfand. Das Projekt wurde aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert. Zur Eröffnung am 23. Juni berichtete der Bundesvorsitzende der LmDR, Waldemar Eisenbraun, über die Situation des Verbandes und der Deutschen aus Russland in der Bundesrepublik. Am nächsten Tag begrüßte der Vorsitzende der Landesgruppe Bayern, Ewald Oster, die Teilnehmer und brachte sich in die Diskussionen ein. Auch die Mitglieder des Landesvorstandes, Albina Baumann, Valentina Wudtke und Nelli Geger (Vorsitzende der Jugend-LmDR Bayern), beteiligten sich an der Arbeit des Seminars. Die Moderation lag traditionell in den Händen von Waldemar Weber (Schriftsteller und Verleger aus Augsburg) und Maria Schefner (Autorin und Projektleiterin aus München). „Autorenfachtagung „Feder – Kuli – Tastatur 3“ in Nürnberg“ weiterlesen

LYRISCHER MAGNETISMUS oder „Mitteilungen einer Saatkrähe“ von Andreas Peters

Es scheint, die Zeit der narrativen Lyrik sei endgültig vorbei, was aber kein Grund ist, sie total abzuschreiben und ihr den Rücken zu kehren. Die Lyrik wird immer assoziativer und verrätselter bis zu pathologischen Auswüchsen, bald dicht an der Grenze der krankhaften Absurdität und Fantasie, wenn nicht gar wahn- und irrsinnig, fast nach dem Prinzip je oller desto doller. Und das fordert bestimmt den traditionellen und konventionellen Lyrik-Leser immer mehr heraus. Tatsache ist auch, dass der Lyrik im literarischen Prozess nur noch eine Nischenrolle zugeteilt wird. War früher Krimi-Literatur Ausnahme, ist die Zeit der Horror- Fantasie- und Science-Fiction-Literatur seit Jahrzehnten ungebrochen auf dem Vormarsch und der Büchermarkt regelrecht überschwemmt.

Nun kommen wir zur Lyrik des Dichters Andreas Peters, vorgestellt in diesem Band. Ist Peters ein schwieriger und unverständlicher Dichter? Ich würde das nicht sagen. Nicht vordergründig  – ja, unverständlich – nein. Denn viele seiner Gedichte sind Entdeckungen und Überraschungen. Er schnürt und bündelt seine Gedichte nicht mit roten Fäden des Endreims und baut nicht unbedingt strenge Strophenkästen und vergeht sich nicht unbedingt in dem leierhaften syllabotonischen Versbau. Aber was hält dann seine Texte zusammen? Eine gerechte Frage. Das sind kaum bemerkbare Stränge, vergleichbar mit Gehirnsynapsen, da Peters ein einfühlsamer und feingesponnener Mensch, oder chirurgische Nahtstichen, da Peters ausgebildeter Krankenpfleger ist und viele Jahre in diesem Bereich hauptberuflich tätig ist. „LYRISCHER MAGNETISMUS oder „Mitteilungen einer Saatkrähe“ von Andreas Peters“ weiterlesen

Nelli Kossko wird 80!

Wir gratulieren herzlich unserem Vorstandsmitglied, der Autorin Nelli Kossko, die am 29. August stolze 80. Jahre geworden ist, und wünschen ihr weiterhin viele kreative Ideen für neue Zeitungsartikel und Bücher! Der Literaturkreis nahm dieses Datum zum Anlass, eine Festschrift unter der Federführung von Agnes Gossen herauszugeben. Die Details dazu erfahren Sie demnächst unter der Kategorie „Archiv“ hier auf unserer Internetseite.

So sieht das Cover des Buches aus: 

Nelli Kossko wurde am 29. August 1937 in Marienheim bei Odessa in der Familie eines Lehrers geboren. Im gleichen Jahr wurde ihr Vater verhaftet und kurz darauf hingerichtet. Im Zuge der „administrativen Umsiedlung“ gelangte sie ihrer Mutter 1944 über Warthegau/Polen nach Dresden. Nach Kriegsende wurde die Familie in den Norden des europäischen Teils der Sowjetunion „repatriiert“. 1952 verbannte man sie in das Gebiet Magadan im Fernen Osten. 1956-1961 studierte Nelli Kossko Germanistik und Anglistik an der Pädagogischen Hochschule Jekaterinburg und lehrte anschließend als Germanistikdozentin an der heutigen Schewtschenko-Universität in Tiraspol sowie an den Hochschulen in Nischni Tagil (Gebiet Swerdlowsk) und zuletzt in Belzy. 1975 kam Nelli Kossko nach Deutschland. 1977-1995 war sie als Redakteurin bei der Deutschen Welle in Köln tätig, anschließend sechs Jahre als Chefredakteurin und Herausgeberin der russischsprachigen Zeitung „Wostotschny Express“ „Nelli Kossko wird 80!“ weiterlesen

Deutsche Sprache – schwere Strafe

Ein Auszug aus dem Buch „Bittere Bonbons“ von Milla Dümichen

Eine Bekannte sagte neulich zu mir: „Du sprichst aber gut Deutsch!“ Ihr Lob tat mir gut. Wenn ich daran denke, dass ich Deutsch erst mit 40 Jahren lernen musste, dann bin ich stolz auf mich. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Germanen ursprünglich vor ca. 10.000 Jahren aus dem Ural kamen und sich Jahrhunderte lang westwärts bis zum Schwäbischen Meer verbreiteten. Hinter dem Ural bin ich geboren. Vielleicht half mir das?

Das ist natürlich nicht ernst gemeint, aber genau in diesem Moment denke ich daran, wie viele Wörter deutscher Herkunft in der russischen Sprache zu finden sind. Im 16. Jahrhundert kamen viele Deutsche nach Moskau. Einige waren vom Zar angeworben, meist Ärzte, Lehrer, Militärpersonen oder Kaufleute. Viele deutsche Wörter wurden von den Russen aufgegriffen und sind bis heute im Umlauf: Бутерброт – Butterbrot, галстук – Halstuch, курорт – Kurort, шнур – Schnur, шахта – Schacht, штрек – Strecke.

Früher habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, bis ich 1992 nach Deutschland kam. Dass Deutschlernen so schlimm werden würde, hatte ich nicht gedacht. Sofort belegte ich einen Sprachkurs. Als nach vier Wochen kein Erfolg zu spüren war, suchte ich mir Arbeit. Dort werde ich gefordert, dachte ich mir. „Deutsche Sprache – schwere Strafe“ weiterlesen

Der Teufel steckt im Detail – eine neue Blogreihe gestartet!

Wir haben eine neue Beitragsreihe gestartet: „Der Teufel steckt im Detail“. Immer Mittwochs, vierzehntäglich, gibt die Lektorin Carola Jürchott aus Berlin Schreibtipps für Autoren, die aus dem russischen Sprachraum kommen und sich literarisch auf Deutsch versuchen wollen bzw. bereits auf Deutsch schreiben. Nach Tausenden von Seiten des Lektorats und Korrektorats für verschiedene Verlage und Autoren ist sie inzwischen zu einer Expertin auf diesem Gebiet geworden. Anhand von anschaulichen Beispielen weist sie auf die typischen Fehler hin, die den Autoren immer wieder unterlaufen, wenn sie aus dem Russichen ins Deutsche wechseln. Schauen Sie also mittwochs bei uns vorbei und klicken Sie auf die Kategorie „Schreibtipps für Autoren“. Wenn Sie die neuen Beiträge nicht verpassen wollen, dann schicken Sie uns eine E-Mail. Wir nehmen Sie gern in unseren Verteiler auf.

„Bittere Bonbons“ von Milla Dümichen erschienen

Millas Wurzeln liegen in Russland. Ihr Lebensweg führte sie als Vierzigjährige nach Deutschland. Hin- und hergerissen zwischen Sibirien, Georgien und Deutschland erzählt sie in diesem Werk ihre Erlebnisse, und wie sie sich nun als „angekommen“ sieht. Der Themenbogen der Geschichten ist weit gespannt. LeserInnen spüren ihre Lust und Freude, in einer neu erlernten Sprache die Herrlichkeiten aber auch die Traurigkeiten des Lebens zu erzählen …

Über die Autorin

Ludmilla Dümichen ist 65 und lebt seit 1992 in Deutschland, heute in Bad Sassendorf. Wenn sie ihre Geschichten vorliest, scheinen sie aus einer anderen Welt zu sein. Kein Wunder, sie wurde weit im Osten Russlands an der chinesischen Grenze geboren. Dorthin wurden ihre Eltern nach dem zweiten Weltkrieg verbannt und zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Mit Vierzig eine neue Sprache zu lernen, war ihre große Herausforderung. Schon als Kind wollte sie Geschichten schreiben, später Journalistin werden. Inzwischen hat sie mehrere kleine Erzählungen in deutscher Sprache geschrieben. Mit zwei Kurzgeschichten ist sie im Buch des Autorenstammtischs vertreten. Seit 2013 schreibt sie als Redaktionsmitglied für das Soester Magazin Füllhorn. Ihr Motto lautet: Die besten Geschichten erzählt das Leben. In diesem Buch gibt sie uns Einblicke in ihre Welt. „„Bittere Bonbons“ von Milla Dümichen erschienen“ weiterlesen

Gedichte von Agnes Gossen

Puls der Zeit

Straßen des Lebens.
Heraus aus der Sackgasse
ist für viele Neubürger
der Weg nach Deutschland
auch wenn sie
Nichtschwimmer sind,
nichts wissen
über menschliche Kälte
im Westen,
nur von Illusionen getrieben.
Hier gibt es auch viele
gut bewachte Zäune und Mauern
und einseitig
befahrbare Straßen.
Sind nur nicht immer beschildert.

***

In einem anderen Land
in einer anderen Zeit
sangen mir Gräser im Wind –
Das Lied vertraut und bekannt.
Mich hat es verschlagen so weit,
wo gemähter Rasen nicht singt,
nur etwas süßlich riecht,
Ein alter gestutzter Baum
hat einen anderen Klang
als junge Triebe, die wissen –
sie verdecken Schnittwunden kaum,
sich trotzdem zur Sonne recken.
Im neuen Leben nehm´ ich in Kauf,
dass der Wind hier nicht immer sanft
und Vorurteile gibt es zuhauf –
meine Wurzeln geben mir Kraft.
Der Baum, der mit mir jetzt spricht,
versteht meine Sprache, –
Wenn du zuhörst – auch dich.

 

Haiku

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Leseprobe: „Planet Germania“ von Artur Rosenstern

Seit kurzem haben wir hier eine neue Kategorie „Leseproben“ eingeführt. Hier finden Sie eine Leseprobe aus „Planet Germania“ von A. Rosenstern:

„… Einen echten Wald zu sehen war ihm noch nicht vergönnt gewesen. Überwiegend trockene, weite Steppen prägten das Bild der südkasachischen Landschaften, dort, wo er die Welt als kleiner Wurm erblickt hatte. Dazu gab es vierzig Grad im Schatten, einen kristallklaren, hellblauen Himmel und die unerbittliche Sonne über den ganzen Sommer hinweg. Umso mehr faszinierten ihn die fremdartigen Naturbilder, die sich nun seinem Blick boten. Ihm drängte sich die Frage auf, ob die Menschen und das Leben in diesem Land ebenso anders waren wie die Landschaften. Einerseits blickte er mit Spannung und Freude dem Neuen entgegen, spürte aber zugleich tief im Inneren ein unerklärliches, geradezu beklemmendes Gefühl aufsteigen. Würde sich seine Seele, die gerade dabei war, um sechstausend Kilometer westwärts verpflanzt zu werden, hier wohl fühlen? Würde sie in diesem andersartigen Boden gedeihen?

Unzählige dunkelgrüne Tannenbäume zeigten sich ihm in ihrer vollen Pracht. Sie schienen sich mit ihren langen Ästen zu umarmen, ihre spitzen Wipfel ragten stolz und verschwörerisch in den bläulich weißen Himmel. Als wäre er in einem Märchen gelandet: Genau so hatte er sich als Kind einen Zauberwald vorgestellt, einen Wald, in dem allerlei Geister hausten, die alte Baba-Jaga und Koschtschej der Unsterbliche sich um Reviere stritten. An diesem Tag schaute zwar auch die Sonne auf Deutschland hinunter, doch kam sie Andrej wie ausgetauscht vor. Als wäre sie verschleiert, als traute sie sich nicht richtig, Menschen direkt in die Augen zu blicken. Aber es ist schließlich kein Sommer, sagte sich Andrej, es ist zu früh, sich darüber Gedanken zu machen.

„Hascht du viele PS, bischt du was, hascht du wenig PS, bischt du nix!“, hallte in seinen Ohren die Stimme des Onkels nach wie eine lästige Melodie eines trivialen, zufällig gehörten Liedes. Es kam ihm bekannt vor. Bereits vor vielen Jahren war er auf ein Zitat gestoßen, das ähnlich lautete. Er wusste nicht mehr, von wem es war, und nahm sich vor, irgendwann der Sache nachzugehen. Vielleicht hatte er sogar das Zitat in eines seiner Notizbücher geschrieben. Als guter Schüler hatte er nämlich die Gewohnheit gehabt, originelle Gedanken in ein Notizheft zu übertragen. Das Problem war einzig, er hatte die alten Notizbücher nicht dabei. Auf diese Reise mussten schließlich wichtigere Dinge mitgenommen werden … „Leseprobe: „Planet Germania“ von Artur Rosenstern“ weiterlesen