Zugegeben, der Kalauer über Patchwork-Familien „Liebling, komm schnell, meine Kinder und deine Kinder verhauen unsere Kinder!“ ist vielleicht weder originell noch politisch korrekt. Doch er verdeutlicht meiner Meinung nach besonders anschaulich, dass Possessivpronomen in Verbindung mit Verwandtschaftsbezeichnungen keineswegs überflüssig sind.
Im Deutschen gilt das nicht nur für Verwandte, deren man mehrere haben kann, wie Kinder, sondern auch für die exklusiven Vertreter der Spezies: Vater und Mutter. Diese Bezeichnungen werden, wenn man von den eigenen Eltern spricht, ebenfalls mit „mein“ oder „unser“ verwendet, auch wenn sich die Zugehörigkeit aus dem Kontext eindeutig ergibt. Natürlich findet man in der Literatur auch in diesem Zusammenhang den Gebrauch des bestimmten Artikels, etwa wenn Rotkäppchen sagt: „Ich besuche die Großmutter!“ Diese Form ist heute jedoch nicht mehr sehr verbreitet; Rotkäppchen würde inzwischen wohl sagen: „Ich gehe zu meiner Oma.“
Heute deutet der Gebrauch des bestimmten Artikels auf ein eher distanziertes Verhältnis und darauf hin, dass nicht ein Verwandter des Sprechenden gemeint ist, sondern der Erzähler über eine familiäre Situation berichtet, wie – um wieder ein Märchen zu zitieren – in „Hänsel und Gretel“: „Als sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater …“ „Meine, deine, unsere“ weiterlesen