Zeichen setzen mit Zeichensetzung (2)

Im vorigen Blogeintrag ging es um die Verwendung von Gedankenstrichen und Doppelpunkten. Einer der häufigsten „Kollisionspunkte“ dieser beiden Satzzeichen im Russischen und Deutschen ist die wörtliche Rede, erst recht, wenn sie durch einen Hauptsatz eingeleitet oder durch einen Nebensatz abgeschlossen wird.

Im Gegensatz zum Russischen kennt das Deutsche die Markierung einer Dialogpassage mit Anstrichen gar nicht. Das führt bei Übersetzungen aus dem Russischen unter Umständen auch zu Irritationen, weil für einen deutschen Leser im Russischen nicht immer klar erkennbar ist, wo die wörtliche Rede eigentlich endet.

Im Deutschen werden grundsätzlich Anführungszeichen verwendet, und zwar in der grafischen Form „…“ oder, ähnlich dem Französischen, »…«. Bei der Verwendung der zweiten Form ist zu beachten, dass die Häkchen im Vergleich zum Russischen genau entgegengesetzt sind, also mit ihren Spitzen nach innen zeigen und nicht, wie etwa bei der Datumsangabe auf russischen Formularen, nach außen. Auch Anführungsstriche, die sowohl vor der wörtlichen Rede als auch danach oben stehen, sind im Deutschen nicht üblich, sondern aus dem Englischen übernommen und gelten im Deutschen als typografischer Fehler. „Zeichen setzen mit Zeichensetzung (2)“ weiterlesen

Zeichen setzen mit Zeichensetzung (1)

Eine der beim diesjährigen Autorenseminar in Oerlinghausen am häufigsten gestellten Fragen war die nach den Unterschieden bei der Interpunktion im Russischen und im Deutschen. Auch ich halte diese Frage für sehr relevant, weil ich beim Korrekturlesen immer wieder feststelle, dass das einer der Punkte ist, mit denen sich selbst Autoren schwertun, die seit Jahren sehr gut und auch erfolgreich auf Deutsch schreiben. Deshalb möchte ich in diesem und den zwei kommenden Beiträgen auf wichtige Punkte eingehen, in denen sich die Zeichensetzung der beiden Sprachen erheblich voneinander unterscheidet.

Der Gedankenstrich wird im Russischen wesentlich häufiger verwendet als im Deutschen. So ist es im Deutschen durchaus üblich, etwa ein Verb, das sich auf mehrere Personen bezieht, einfach wegzulassen, ohne die Auslassung jedoch durch einen Gedankenstrich zu kennzeichnen:

„Er war vierzehn Jahre alt und ich erst zwölf.“ „Zeichen setzen mit Zeichensetzung (1)“ weiterlesen

Wer mit wem?

Vor einiger Zeit las ich in einem Text einen Satz mit folgender Struktur: „Und dann organisierten wir mit meinen Kollegen eine Feier.“ Fast hätte ich darüber hinweggelesen, doch plötzlich läutete in einer hinteren Gehirnwindung ein Alarmglöckchen. Es schrillte nicht, und es war auch keine große Glocke, aber irgendetwas sagte mir: Hier stimmt etwas nicht. „… wir mit meinen Kollegen?“ Wer ist denn „wir“? Natürlich – gemeint war: „meine Kollegen und ich“.

Diese Konstruktionen mit „мы с“, die im Russischen so häufig verwendet werden, sind, scheint es mir etwas tückisch, denn sie springen einem im deutschen Sprachgebrauch gar nicht so sehr ins Auge wie andere Russizismen. So habe ich schon Menschen, die komplett zweisprachig aufgewachsen waren und beide Sprachen wirklich aus dem Effeff beherrschten, Dinge sagen hören wie. „Dort haben wir mit Barbara das und das gemacht.“

Genau das ist das Tückische: „Wer mit wem?“ weiterlesen

Eine Frage des Stils

Bin ich wirklich nicht mehr auf der Höhe der Zeit? Altmodisch, ein Dinosaurier? Ich hoffe, nicht. Dennoch höre ich immer wieder, dass sich die Sprache ja auch verändert und dass man diesen Veränderungen beim Schreiben Rechnung tragen müsse.

Dem stimme ich natürlich zu – ich lebe ja nicht im philologischen Elfenbeinturm. Aber muss es wirklich um jeden Preis sein? Das möchte ich energisch verneinen. Meines Erachtens gibt es nach wie vor Dinge, an denen auch die vielbeschworene Entwicklung der Sprache nichts ändern sollte, wie etwa an der Tatsache, dass es einen Unterschied zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache gibt.

So begegnen mir bei der Korrektur literarischer Texte immer wieder Wörter wie „rauf“ und „runter“, „rein“ und „raus“ und all ihre lexikalischen Geschwister und sonstigen Verwandten. Wie oft ändere ich letztendlich „was“ in „etwas“ und „mal“ in „einmal“!

Liebe Leserinnen und Leser, verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Natürlich weiß ich, dass das auch Mittel sein können, um beispielsweise Dialoge lebendiger wirken zu lassen. Aber genau das ist der Punkt: Tauchen diese Formen in der wörtlichen Rede auf und dienen dazu, die individuelle Sprechweise einer handelnden Person zu charakterisieren, halte auch ich diese Varianten für durchaus begrüßenswert. Im reinen Erzähltext jedoch sollte man sich (natürlich je nach Textsorte) in der Regel an einem neutralen Funktionalstil orientieren. Hier ist die Schriftsprache nach wie vor vorzuziehen. „Eine Frage des Stils“ weiterlesen

Reflexiv oder nicht?

Ist es Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, auch schon passiert, dass Sie einen Satz gelesen und sich zunächst gefragt haben, ob er richtig ist oder nicht, um dann festzustellen, dass Sie selbst auf dem Holzweg waren?

Mir ist es kürzlich so ergangen, als ich in einem Roman las, dass zwei Menschen beim Essen etwas abseits saßen und „sich die Münder mit Stoffservietten abtupften“. Da es sich bei den beiden Protagonisten um ein Ehepaar handelte, hatte ich sofort ein Bild im Kopf, wie sie sich gegenseitig betupften. Ich wollte diese Vorstellung gerade rührend finden, als mir mein Denkfehler klar wurde: Natürlich war jeder mit seiner eigenen Serviette beschäftigt, schließlich stand dort nicht, dass sie „einander die Münder abtupften“.

Genau hier liegt der sprichwörtliche Hund begraben: Dadurch, dass man in der Umgangssprache „einander“ gern durch „sich“ ersetzt und das mittlerweile auch in den Medien nicht selten zu finden ist, entstehen mitunter Missverständnisse an Stellen, wo sie gar nicht nötig wären. Wie gesagt, in diesem Fall lag der Fehler bei mir, doch damit Ihnen nicht Ähnliches widerfährt, möchte ich noch einmal kurz darauf eingehen, wann man das reflexive „sich“ benutzt und wann man es besser vermeiden sollte. „Reflexiv oder nicht?“ weiterlesen

Von Auslassungszeichen und ausgelassener Zeichensetzung

Unterstützung für Kid’s

Als ich kürzlich diese Werbung las, wurde mir klar, dass die inflationäre Verwendung eines Zeichens, das eigentlich Auslassungen anzeigen sollte, offensichtlich eine neue Stufe erreicht hat. Immer wieder liest man in letzter Zeit vom sogenannten Deppen-Apostroph, der, wenn er einen Genitiv markieren soll, aus dem Englischen ins Deutsche geradezu herübergeschwappt ist. Gemeint ist damit die regelwidrige Verwendung des Apostrophs an Stellen, wo dieser gänzlich überflüssig ist. Dieses Phänomen ist jedoch meist bei Genitivformen zu finden; mit ihm, wie oben geschehen, auch noch eine Pluralform zu bilden, ist dann schon gewissermaßen die „hohe Schule“.

Hält man sich an althergebrachte Regeln des Hochdeutschen, genügt für die Kennzeichnung des 2. Falls in der Grammatik nämlich das s, das ohne weitere Zeichen an den jeweiligen Namen angehängt wird. Unverzichtbar ist der Apostroph nur in einem einzigen Fall: wenn der Name, der in den Genitiv gesetzt werden soll, mit einem reinen oder modifizierten s-Laut endet, also auf –s, -ss, -ß, -z, -tz oder –x. Hier wird nämlich das zusätzliche s, mit dem der Genitiv gebildet werden sollte, ausgelassen. „Günter Grass‘ Roman“ und „Ringelnatz‘ Humor“ sind also richtig, während „Günter’s Blechtrommel“ und „Joachim’s Gedichte“ wohl bei beiden zumindest ein Stirnrunzeln hervorrufen würden. „Von Auslassungszeichen und ausgelassener Zeichensetzung“ weiterlesen

„Kurzweil durch Mathe“

So hieß zwar zu meiner Kinderzeit ein Buch, mit dessen Hilfe Kinder unterhaltsam an mathematische Probleme herangeführt werden sollten, doch auch bei Übersetzungen sorgt die Zahlenwelt immer wieder einmal dafür, dass es nicht langweilig wird, bzw. dafür, dass man als Übersetzer besonders aufpassen muss.
Der Klassiker unter diesen Problemen sind statistische Angaben, in denen erwähnt wird, dass sich ein Wert um einen anderen auf einen dritten erhöht oder verringert.
Die Tatsache, dass die russische Präposition „на“ ansonsten in vielen Fällen mit „auf“ übersetzt werden kann, ist in diesem Fall eher kontraproduktiv und führt immer wieder zu sogenannten Interferenzfehlern. Damit werden Fahler bezeichnet, die sich einschleichen, wenn man Konstruktionen aus der einen Sprache zu leichtfertig in eine andere übernimmt. So ist es auch hier. „„Kurzweil durch Mathe““ weiterlesen

Ein Antibiotikum und viele Periodika

Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch manchmal das Gefühl, mit Ihrem Latein buchstäblich am Ende zu sein? Dann sind Sie damit auf keinen Fall allein, denn immer wieder hört man (und manchmal liest man es sogar), dass die Unterscheidung zwischen Singular- und Pluralformen von Wörtern, die aus dem Lateinischen stammen und dort auf „-um“ enden, vielen Menschen auch im Deutschen Schwierigkeiten bereiten.
Da werden dann die Pluralformen, die auf „-a“ enden, behandelt, als wären sie eine Einzahl, und bekommen im schlimmsten Fall auch noch den Artikel buchstäblich vor die Nase gesetzt, der eigentlich der Singularform zustände. Besonders Übereifrige hängen dann an diese Form noch das Plural-s, wenn sie ausdrücken möchten, dass nicht nur von der Einzahl die Rede ist. „Ein Antibiotikum und viele Periodika“ weiterlesen

Samt und sonders

(Teufel steckt im Detail – 21)

Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen den Mengenangaben „sämtlich“ und „gesamt“? Was den Sinngehalt dieser Wörter betrifft, kann man diese Frage zunächst verneinen. Es geht jeweils darum, eine komplette Menge oder etwas Komplettes, also 100%, zu bezeichnen – ohne eine Ausnahme. Dennoch, liebe Leserinnen und Leser, ahnen Sie es: Auch hier steckt der Teufel im Detail, nämlich in der Verwendung beider Adjektive.

„Sämtlich“ ist laut Duden ein Synonym für „all“. Damit ist klar, dass man „alle“ problemlos durch „sämtliche“ ersetzen kann, speziell, wenn man die Ausnahmslosigkeit besonders betonen möchte. Die Verwendung im Plural ist damit also hinreichend geklärt.

Allerdings bietet der Duden auch Beispiele an wie „sämtlicher aufgehäufte/aufgehäufter Sand“ oder „sämtliches beschlagnahmte Eigentum“. Hier wird deutlich, dass sich auch „sämtliche“ nicht ausschließlich auf Pluralformen beziehen muss. Bei den bezeichneten Mengen handelt es sich also um etwas Zähl- oder Messbares, wobei meist noch ein weiteres Attribut eingefügt wird, um etwa das „beschlagnahmte Eigentum“ vom nicht beschlagnahmtem abzugrenzen. Auch hier ließen sich die einzelnen Formen von „sämtlich“ (wenn auch stilistisch weniger gelungen) durch die entsprechenden Formen von „all“ ersetzen. Nutzt man das Adjektiv in seiner Form als Adverb („Seine Gedichte sind sämtlich im freien Versmaß geschrieben.“), kann es auch durch die feststehende Wendung „samt und sonders“ ersetzt werden.

„Gesamt“ hingegen steht nicht für eine vollständige Anzahl oder Menge von etwas Zähl- oder Messbarem, sondern für etwas komplettes Einzelnes: „die gesamte Bevölkerung“, „der gesamte Roman“ usw. Hier ist im Singular nur „gesamt“ zu verwenden.

Im Plural hingegen kommt es auf die Perspektive an.

Möchte man ausdrücken, dass bei mehreren Substantiven ein jedes von ihnen in seiner Gänze betroffen ist, verwendet man „die gesamten“: „Die gesamten Bücher wurden im Flattersatz gedruckt.“ Das bedeutet, man möchte betonen, dass es innerhalb der einzelnen Bücher keine Seite gibt, die im Blocksatz steht.

Schreibt man jedoch: „Sämtliche Bücher wurden im Flattersatz gedruckt.“, liegt das Hauptaugenmerk auf der Information, dass es kein Buch gibt, das davon eine Ausnahme bildet.

Carola Jürchott

www.lust-auf-geschichten.de

Einheitlichkeit ist kein Einheitsbrei

Immer wieder kommt es in Texten, die ich zu korrigieren habe, vor, dass ich für ein und dasselbe Wort verschiedene Schreibweisen oder für ein und dieselbe Person unterschiedliche Namensformen finde. Damit meine ich nicht nur die Entscheidung für eine bestimmte Transkription, von der in diesem Blog an anderer Stelle bereits die Rede war. Natürlich sollte auch dabei die einmal gewählte Form unbedingt beibehalten werden. Hat man sich einmal entschlossen, beispielsweise den Namen „Victoria“ mit V und C wiederzugeben, wäre es inkonsequent, wenn er an anderer Stelle beispielsweise mit einem K auftauchen würde, sofern dieselbe Person gemeint ist.

Schwieriger stellt es sich im Deutschen dar, wenn man auf die im Russischen üblichen Kurzformen zurückgreifen will. Hier ergibt sich das Problem, dass die meisten ausschließlich deutschsprachigen Leser gar nicht wissen, dass es sich bei „Sascha“, „Sanja“ und „Schura“ unter Umständen um ein und dieselbe männliche oder auch weibliche Person handelt, die eigentlich Alexander oder Alexandra heißt. Ebenso wie den wenigsten geläufig ist, dass und warum Namen wie Sonja, Dima, Anja oder Tanja in Russland niemals in einem Pass stehen würden. Dass es sich hierbei um inoffizielle Kurzformen handelt, ist in Deutschland so wenig bekannt, dass man hier durchaus auch auf eine Person treffen kann, die zwei Vornamen hat und „Sascha Alexander“ heißt. „Einheitlichkeit ist kein Einheitsbrei“ weiterlesen