Lehren ziehen leicht gemacht

Mit dem Lernen ist es so eine Sache. Manchmal ist es einfacher, es zu tun als darüber zu sprechen. Noch heute muss ich schmunzeln, wenn ich an das entsetzte Gesicht meiner Mutter angesichts einer Formulierung denke, die zu meinen Kindergartenzeiten in Berlin unter meinen Altersgenossen gang und gäbe war, wenn der eine etwas konnte, das der andere noch nicht beherrschte: „Lernste mir das?“

Natürlich folgten auf Äußerungen dieser Art lange elterliche Erklärungen, dass man zwar selbst etwas lernen, einem anderen aber nur etwas beibringen oder es ihn lehren könne. Dabei stand damals auch völlig außer Zweifel, dass „lehren“ mit dem Akkusativ verwendet wurde, „beibringen“ hingegen mit dem Dativ. Mehr oder weniger bekannte Songtitel wie „Denn sie lehren die Kinder …“ unterstützten diesen Lernprozess durchaus.

Nach dieser Vorgeschichte können Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich sicher mein Entsetzen vorstellen, als vor Kurzem im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in einer Quizshow eine Antwortmöglichkeit lautete, Konrad Duden habe eine Wette gewonnen, weil er „einem Kleinkind das Lesen lehrte“. Abgesehen davon, dass die richtige Antwort eine andere war, kam mir diese Variante jedoch doppelt falsch vor. Für mich war völlig klar, dass der Altmeister der deutschen Rechtschreibung, entweder „das Kind das Lesen gelehrt“ oder „dem Kind das Lesen beigebracht“ haben musste, wenn es denn tatsächlich so gewesen sein sollte.

Ein Blick in das von ihm einst initiierte Werk gab jedoch Aufschluss. Unter dem Stichwort „lehren“ findet man im aktuellen Duden tatsächlich Beispiele, in denen „lehren“ mit dem Dativ kombiniert wird. Allerdings sind diese Varianten mit „veraltend“ und „selten“ gekennzeichnet, so dass es sich meines Erachtens trotz allem nicht empfiehlt, sie aktiv zu verwenden, will man nicht selbst in den Ruf geraten, mit der Grammatik auf Kriegsfuß zu stehen.

Im Zusammenhang mit dem Russischen ergibt sich in diesem Zusammenhang noch eine weitere Problematik. So, wie es deutschen Muttersprachlern meist schwerfällt, den semantischen Unterschied zwischen „учить(ся)“ und „изучать“ zu erkennen, habe ich es bei Muttersprachlern des Russischen schon oft erlebt, dass sie sich über den Unterscheid zwischen „(er)lernen“ und „studieren“ nicht ganz im Klaren sind.

So kann man in der Schule etwas lernen (dazu zählen übrigens auch Fremdsprachen), und wenn man konkrete Fertigkeiten erwirbt, erlernt man sie. Studieren kann man jedoch ausschließlich an Einrichtungen der Hoch- und Fachschulbildung, und auch dort ausschließlich das Fach, in dem man einen Abschluss anstrebt. So habe ich beispielsweise Russisch und Bulgarisch studiert, im sogenannten Studium generale aber auch einiges über russische Ikonographie gelernt. Auch andere Sprachen habe ich lediglich gelernt, nicht aber studiert.

Ich hoffe sehr, dass Ihnen nun der Spaß am Lernen nicht vergangen ist, denn auch die Volksweisheiten sind in diesem Zusammenhang höchst widersprüchlich, und zumindest hier kann sich jeder aussuchen, was ihm besser gefällt. Während man Kinder noch mit dem Spruch zu motivieren versucht: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“, ertappe ich mich inzwischen immer öfter bei der Erkenntnis: „Man wird alt wie eine Kuh und lernt immer noch dazu!“

Carola Jürchott

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