„Die Birkeninsel“ von Heinrich Rahn

Der Titel des Romans „Die Birkeninsel“ stellt den zentralen Dreh- und Wendepunkt des Geschehens dar. Jedes Mal, wenn die magische Insel erscheint, wird die Handlung auf unvorhergesehene Weise vorangetrieben.
Organische Verschmelzung mit der Natur, tiefe Verbunden­heit von Mann und Frau, Raum und Zeit, Traum und Wirklichkeit, Magie und Wissenschaft – all das wird in diesem Roman durch den sensiblen Protagonisten Rene beleuchtet und durchlebt. Durch den 2. Weltkrieg entwurzelt, führt sein Weg ihn von der Ukraine, nach Deutschland, über Sibirien nach Kasachstan. Als naturverbundener Junge hat er eine außergewöhnliche Vorstellungskraft und findet sich oft in einer Birkeninsel ein, wo ihm die Bäume magische Geschichten zu flüstern scheinen. Dieser „Schein“ ändert sich im Laufe seines Lebens in „Sein“. Denn die nur geträumt geglaubten Geschichten verbinden sich mehr und mehr mit der Realität. So steht Rene immer wieder vor der Frage, was „wirklich“ ist. Sei­ne große Liebe zur Natur und zu der mysteriösen Tawi treibt ihn an, diese Frage zu lösen.

Heinrich Rahn

1943 im Dorf Sparau, Ukraine, in einer deutschen Familie geboren. Nach dem Krieg kam die Familie erst nach Nordsibirien (Deportation), dann nach Kasachstan. In der Stadt Schtschut­schink absolvierte er 1965 eine Inge­nieurschule und arbeitete dann in verschiedenen Baukombi­naten als leitender Bauingenieur. Seit 1990 in Deutschland in ver­schiedenen Archi­tek­turbüros tätig, heute im Ruhestand. So kann er sich ganz auf seine schriftstellerische Leidenschaft konzentrieren, der er seit seiner Kindheit treu geblieben ist. Im Geest-Verlag bereits erschienen: Der Jukagire (2008) und Aufzug Süd-Nord (2011). Heinrich Rahn wurde 2015 vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert.

Das Buch ist erschienen im Geest-Verlag, 2018, 404 S., 12.80 Euro, ISBN 978-3-86685-673-8

Leseprobe aus „Die Birkeninsel“

Verdichtete Zeit – Zum neuen Lyrikband von Agnes Gossen „Flügelschlag der Zeit“

Ein Gastbeitrag von Melitta L. Roth

Agnes Gossens neu erschienene Gedichtsammlung befasst sich mit einem Phänomen, das unser ganzes Leben durchzieht – der Zeit. Sie nähert sich in ihren Versen dem Thema lyrisch und philosophisch und zeigt, dass Zeit nicht nur eine rein physikalische Größe ist, sondern ein großes Geheimnis.

Der neue Band der Dichterin Agnes Gossen trägt den Titel „Flügelschlag der Zeit“ und ist in Mai 2018 im Burau-Verlag erschienen. Was ihn thematisch zusammenhält, ist das Motiv der Zeit. In vier Zyklen unterteilt, breitet das Büchlein verschiedene Facetten dieses alles durchdringenden Phänomens vor uns aus und bietet Anstöße zum Nachdenken über das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige.

Die meisten Gedichte in diesem Band sind in freien Versen gehalten, gelegentlich finden sich Reime darunter. Es sind offene, klare Worte, die Schönheit oder Melancholie beschreiben, innere Monologe über Natur und Vergänglichkeit. In ihren Versen verarbeitet Agnes Gossen unter anderem die Sehnsucht nach einer vergangenen Liebe, den Verlust der Heimat und das Ankommen in einem neuen Land. Die Einsamkeit kommt darin vor ebenso wie der Wunsch, dem zermürbenden Alltag mithilfe der Poesie zu entfliehen.

Für das Verstreichen der Zeit wählt die Dichterin häufig Symbole wie den Fluss, das Meer oder den Regen. Strömend, fließend, aber auch unkontrollierbar wie das Wasser. Auch die Form ihrer Poesie selbst hat etwas Leichtes, Fließendes – wie das Wasser. „Verdichtete Zeit – Zum neuen Lyrikband von Agnes Gossen „Flügelschlag der Zeit““ weiterlesen

„Roter Herbst in Chortitza“ von Tim Tichatzki – ein Roman, der es in sich hat!

Buchvorstellung und Interview mit dem Autor

von Nina Paulsen

Tim Tichatzki erzählt die dramatische Geschichte einer russlanddeutschen Familie

Allein schon der Titel „Roter Herbst in Chortitza“ lässt Russlanddeutsche oder ihre Nachkommen, die ihre Wurzeln in Südrussland – den sogenannten Chortitzaer Kolonien – haben, aufhorchen. In seinem Roman „Roter Herbst in Chortitza“ (464 Seiten, ISBN 978-3-7655-0988-9), das im Februar 2018 im Brunnen Verlag erschienen und nach einer wahren Geschichte geschrieben ist, verarbeitet der Autor Tim Tichatzki die Lebensgeschichte seiner Schwiegermutter, die 1930 in der Region Chortitza geboren wurde und Mitte der 1970er Jahre mit Familie nach Deutschland kam. 1919 fegt der Bürgerkrieg mit aller Gewalt über das zerfallende Zarenreich. Gefangen zwischen den Fronten, finden die beiden Freunde Willi und Maxim ein von Soldaten zurückgelassenes Maschinengewehr. Für Maxim ein Geschenk des Himmels, für Willi die größte Herausforderung seines Glaubens, denn als Sohn mennonitischer Siedler hat er gelernt, jede Form von Gewalt abzulehnen. Eine Zerreißprobe für die Freundschaft der beiden Jungs.
Während Willis Familie in der aufkommenden Sowjetdiktatur ums nackte Überleben und um ihren Glauben kämpft, schlägt sich Maxim ausgerechnet auf die Seite des Regimes. Beide wissen nicht, ob sich ihre Wege je noch einmal kreuzen werden. Zwei Lebenswege inmitten der sowjetischen Diktatur, die unterschiedlicher kaum sein könnten. „„Roter Herbst in Chortitza“ von Tim Tichatzki – ein Roman, der es in sich hat!“ weiterlesen

Roman „Wie Gräser im Wind: Tage des Sturms“ (Bd. 1) von Ella Zeiss erschienen

Im Mai 2018 erschien der neue Roman „Wie Gräser im Wind: Tage des Sturms“ von Ella Zeiss. Hier präsentieren wir das erste Kapitel daraus:

Kapitel 1

1930, deutsche Siedlung auf der Halbinsel Krim, Sowjetunion

Das laute Rattern eines Motors ließ Anna alarmiert innehalten. In ihrem Dorf besaß niemand einen Wagen. Das Geräusch konnte also nur eins bedeuten.
Von einer dunklen Vorahnung erfüllt, wischte sie sich hastig die Hände, die vom Kneten des Brotteigs ganz mehlig geworden waren, an der langen Schürze ab und trat vorsichtig ans Fenster.
Sie hatte sich nicht geirrt. Ein Kleinlaster fuhr die Hauptstraße des Dorfes entlang. Drei bewaffnete Männer von der Volkskommission für innere Sicherheit saßen darin.
Anna stockte der Atem. Selbst Yvo, die in der Ecke mit ihren Holzklötzchen spielte, schien die plötzliche Anspannung der Mutter zu spüren, und wurde ganz still.
Besorgt schaute Erich von seinen Hausaufgaben hoch. »Mama?«
»Schht.« Schweigen gebietend hob Anna ihre Hand und wagte erst wieder aufzuatmen, als der Wagen die Haustür passiert hatte. Besorgt folgte sie ihm mit den Augen und spürte, wie sich ein eisiger Klumpen in ihrem Magen ausbreitete, als das Fahrzeug vor dem Pfarrhaus abrupt hielt. Das verhieß nichts Gutes.
Rufe wurden draußen laut. Anscheinend wurde den Männern der Eintritt verwehrt.
»Mama, was ist los?« Ängstlich trat Erich zu ihr und versuchte, einen Blick aus dem Fenster zu erhaschen. Yvo lief tapsig auf sie zu und drückte sich an ihre Knie.
Zitternd schlang Anna sich ein Wolltuch um die Schultern und warf ihren Kindern einen unsicheren Blick zu. Sollte sie es wirklich wagen, jetzt hinauszugehen, sich einzumischen?
Anna atmete tief durch. Ihr würde schon nichts passieren. Das Interesse der Männer galt dieses Mal offensichtlich Pfarrer Friedrich. Doch sie konnte einfach nicht zulassen, dass die Sicherheitsmiliz auch Rita, dessen kleine Tochter, mit sich nahm, um sie in irgendein Waisenhaus zu stecken.
Ernst sah Anna ihren Sohn an, der ihren Blick für seine acht Jahre viel zu verständig erwiderte. »Erich, du bleibst bei Yvo. Hast du mich verstanden?«
Er nickte unsicher.
»Und egal was passiert, ihr bleibt hier im Haus.«
»Ja, Mama.« Er nickte erneut und nahm seine kleine Schwester tapfer bei der Hand. „Roman „Wie Gräser im Wind: Tage des Sturms“ (Bd. 1) von Ella Zeiss erschienen“ weiterlesen

ALS ICH KLEIN WAR …

Aufzeichnungen zum Buch der in Bonn lebenden Autorinnen
Monika J. Mannel und Agnes Gossen
„Kindheiten in Deutschland und Russland“

Als ich klein war, war ich ziemlich verträumt. Ich hätte stundenlang auf der mit Gänseblümchen übersäten Wiese hinter unserer kleinen Lehmhütte liegen, und ziellos den tiefblauen Himmel anstarren können. Meist waren meine Träume undefinierbar, ich konnte sie nicht irgendwie zuordnen oder mit Worten beschreiben. Vor meinen Augen entstanden sagenhafte Szenen, ferne Länder und verschwommene Gesichter – ein buntes Durcheinander, ein Sammelsurium dessen, was ich in meinen Kinderbüchern gelesen und gesehen hatte. In solchen Momenten verlor ich komplett das Zeitgefühl. Irgendwann, wenn mein Traum eine besonders spannende Richtung eingeschlagen hatte, erklang die strenge, stets gereizte Stimme meiner Mutter und verscheuchte ihn. Er verzog sich und löse sich auf wie die wolkigen, märchenhaften Gestalten dort oben – ich wurde in die Realität zurückgerufen, in eine Welt, wo es keine Zeit für „uff dr faule Haut liegen“ gab. Früh wurde mein Leben von Aufgaben und Pflichten bestimmt …

In meinem Gedächtnis verbergen sich aber auch wunderschöne, unvergessliche Passagen, die den Erzählungen im Buch „Kindheiten in Deutschland und Russland“ sehr ähnlich sind. Zwei Autorinnen, Monika J. Mannel und Agnes Gossen, die sich bereits seit vielen Jahren kennen und sich gemeinsam in verschiedenen „ALS ICH KLEIN WAR …“ weiterlesen

„Und zur Nähe wird die Ferne“ – Der Literaturalmanach der Deutschen aus Russland (eine Rezension von Nina Schein)

Eigentlich sollte es eine schnelle Sache werden: In das Inhaltsverzeichnis und die Autorenbiografien reinschauen, Buch durchblättern, kurze Annonce für „Volk auf dem Weg“ schreiben. Beim „Durchblättern“ bin ich dann doch hängengeblieben und den neuen Almanach 2017 / 2018 des Literaturkreises der Deutschen aus Russland „Und zur Nähe wird die Ferne“ bis zur letzten Seite gelesen. Dabei habe ich so manchen Autor(in) um den ausgereiften und kreativen sprachlichen Ausdruck beneidet, war von der thematischen Vielfalt angetan, musste hin und wieder zum Taschentuch greifen und eine Nachdenkpause einlegen. Alles in einem eine aufschlussreiche, vielschichtige und berührende Lektüre. Und jeder Beitrag wird dem Motto „Und zur Nähe wird die Ferne“ in unterschiedlicher Art und Weise gerecht.

Denn gerade die russlanddeutschen Autoren, die die Erfahrung der Entwurzelung, des Fremdseins in der Heimat und der Identitätssuche in der Fremde aus der eigenen Biografie oder den Erzählungen der Eltern und Großeltern kennen, dürften den Gedanken von Theodor Fontane „Und zur Fremde wird die Heimat, / Und zur Nähe wird die Ferne.“, der dem Almanach den Titel gibt, in besonderem Maße verinnerlicht haben. So gesehen, ist der Almanach auch eine Lektüre, die gleichzeitig einen tieferen Einblick in die Seele eines Russlanddeutschen (DORT wie HIER) gewährt und begreiflich macht, was es mit dem Titel „Und zur Nähe wird die Ferne“ auf sich hat – auch wenn unter die Autoren mit russlanddeutschen Wurzeln der eine oder der andere Einheimische sehr zum Vorteil der Publikation gemischt hat. „„Und zur Nähe wird die Ferne“ – Der Literaturalmanach der Deutschen aus Russland (eine Rezension von Nina Schein)“ weiterlesen

Almanach 2017/18 mit dem Titel „Und zur Nähe wird die Ferne“ ist erschienen

Artur Böpple (Hg.)

Und zur Nähe wird die Ferne

Almanach 2017/2018

ISBN 978-3-947270-03-3

Softcover, 14,8 x 21 cm, 332 Seiten, Preis: 14,90 €

Im Wahljahr 2017, in dem wohl kaum eine Woche verging, ohne dass ein kritischer Artikel in einer der überregionalen deutschen Zeitungen zum Thema „Russlanddeutsche“ erschienen wäre, vermisste man nicht nur eine ausgewogene, vorurteilsfreie und gründlich recherchierte Berichterstattung, sondern leider auch Artikel, die sich halbwegs ausführlich mit kulturellen Errungenschaften der Deutschen aus Russland im Allgemeinen befasst hätten, geschweige denn mit ihrer Literatur. Russlanddeutsche Literaten bleiben in ihrer Mehrheit unparteiisch, was nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie in ihren Arbeiten keinerlei Bezüge zu relevanten gesellschaftlichen Prozessen herstellen. Sie nehmen vielmehr eine aktive Beobachterrolle ein, um aus dieser heraus möglichst objektiv sowohl auf das aktuelle Geschehen zu reagieren als auch sich auf die Geschichte bzw. die Vergangenheit einzulassen. Dieser Band versammelt überwiegend Literatinnen und Literaten russlanddeutscher Abstammung, doch versteht sich traditionell als Forum für alle deutschsprachigen Autoren. Neben den bereits etablierten Autoren wie Nelli Kossko, Eleonora Hummel, Elena Seifert, Andreas Peters, Wendelin Mangold, Heinrich Rahn, Sergej Tenjatnikow, Agnes Gossen, Artur Rosenstern, Sigune Schnabel u. a. findet der Leser darin ebenfalls hochinteressante Beiträge von neuen, jungen Autoren wie Viktor Funk, Melitta L. Roth, Katharina Martin-Virolainen, Jürgen Hafner, Christine Zeides oder Dorothea Enß. Als Künstler sind in dem Band vertreten: Nikolaus Rode und Tatjana Bleich.

Zu beziehen ist das Buch unmittelbar über den ostbooks Verlag.

Tel.: 05221 – 762944

Die 11. Buchmesse Migration – der Literaturkreis war dabei

Vom 23. bis 26. November fand in Bonn die 11. Buchmesse Migration im Haus der Geschichte statt, die seit bereits 22 Jahren jedes zweite Jahr vom Bonner Institut für Migrationsforschung und interkulturelles Lernen in Kooperation mit diversen Partnern organisiert wird, um den Themen wie Migration, Flucht und Vertreibung sowie das Zusammenleben von unterschiedlichen Kulturen einen eigenen Rahmen zu geben. Dieses Mal lautete das Motto der Buchmesse: „ankommen – teilhaben – gemeinsam gestalten“, das zugleich zum Thema des einige Monate zuvor ausgeschriebenen Literaturwettbewerbs wurde.

Das Haus der Geschichte Bonn wird zur Zeit der Buchmesse zum Raum für Begegnungen von Verlegern, Autoren und Gästen aus ganz Deutschland. An den Bücherständen und nach den Lesungen kommt es oft zu intensiven Diskussionen über neue Literaturtrends, Neuerscheinungen sowie politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Im Rahmen der Buchmesse fand zudem eine Lesung zum Thema „Literatur als Brücke der Verständigung“ mit deutschen Autoren aus Russland statt. Sie wurde von der Bonner Initiativgruppe Russlanddeutsche Autoren, Musiker und Maler, dem Literaturkreis der Deutschen aus Russland sowie dem Kulturrat der Deutschen aus Russland organisiert. Autoren unterschiedlichen Alters, Prosaiker und Lyriker wie Martin Thielmann, Eduard Isaak, Irina Malsam, Katharina Peters, Melitta L. Roth, Katharina Martin-Virolainen, Agnes Gossen, Dorothea Enss und Artur Böpple lasen ihre Kurzgeschichten und Gedichte vor. „Die 11. Buchmesse Migration – der Literaturkreis war dabei“ weiterlesen

Roman „Mein Leben in Deutschland begann mit einem Stück Bienenstich“ von Viktor Funk

Im August 2017 ist der Roman „Mein Leben in Deutschland begann mit einem Stück Bienenstich“ von Viktor Funk erschienen. Mit freundlicher Genehmigung des Größenwahn Verlags präsentieren wir unseren Lesern an dieser Stelle eine kleine Kostprobe aus dem Buch. Es ist zurzeit in sämtlichen Buchläden sowie direkt beim Größenwahn Verlag zu bekommen. Näheres über den Autor und das Buch finden Sie unter folgendem Link: Größenwahn Verlag.

Hier folgt nun die Leseprobe:

Mein Leben in Deutschland begann mit einem Stück Bienenstich. Ich war mit meinen Eltern und meiner Schwester im Rathaus von Wolfsburg, der Bürgermeister hatte eingeladen. Zwei Dutzend Familien aus Kasachstan, Sibirien und Usbekistan saßen an runden Tischen, alte Frauen mit geblümten Kopftüchern, ihre Enkel mit Micky-Maus-Sweatshirts, die Väter mit neuen Lederjacken. Die Mütter mahnten in vertrauter Sprache die Kinder zur Ruhe, bis unverständliche Worte alle verstummen ließen. Der Bürgermeister lächelte, breitete seine Arme aus, sagte »gut«, »Heimat«, »Arbeit« und viele andere Worte, die ich nicht verstand.
Seit wir Platz genommen hatten, starrte ich auf den Tisch und wurde ungeduldiger, je länger der Mann redete. Auf einem Teller lagen Kuchenstücke, acht glänzende, honigfarbene, mit geraspelten Mandeln bedeckte kleine Vierecke.
Ich hoffte, dass meine kleine Schwester nur eines essen würde. Und mit etwas Glück würde auch meine Mutter nur eines nehmen, mein Vater zwei. Ich wusste noch nicht, wie der Kuchen schmeckte, aber ich roch ihn. Ich atmete seinen Honigmandelvanilleduft ein und hielt immer wieder die Luft an.
Lautes Lachen riss mich aus meinem Spiel. Auch meine Eltern lachten.
»Mama, was hat er gesagt?«, fragte ich.
»Das weiß ich nicht. Ich habe es nicht verstanden«, antwortete meine Mutter.
»Und warum lacht ihr dann?«
»Alle lachen doch.«
Und alle rutschten ein Stück näher an die Tische, näher an die Kuchenteller. Ich sprang von meinem Stuhl auf und nahm zwei Stück Bienenstich, musste eines wieder zurücklegen – »Iss erst einmal das Erste auf« – und griff gleich wieder zu. „Roman „Mein Leben in Deutschland begann mit einem Stück Bienenstich“ von Viktor Funk“ weiterlesen

Lesung: Literatur als Brücke der Verständigung

Lesung russlanddeutscher Autoren in Bonn
im Haus der Geschichte, Willy Brandt Allee 14
am 25. November 2017 um 12 Uhr, Großer Saal

Der 1995 in Bonn gegründete Literaturkreis der Deutschen aus Russland e.V. hat durch zahlreiche Lesungen, Anthologien und Jahrbücher wesentlich zum Erhalt der Literatur und Kultur seiner Volksgruppe beigetragen. Für die Förderung junger Autoren wurde er mit dem Russlanddeutschen Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Die russlanddeutschen Autoren brachten ihre eigene Kultur mit, die teilweise durch das Herkunftsland geprägt ist, aber genauso durch ihre Abstammung, wegen der sie zur Zeit des Stalinismus und Kommunismus in der UdSSR unterdrückt und verfolgt worden waren. In Deutschland konnte sich ihr künstlerisches Potential frei entfalten: In Wort, Bild und Klang.

Wir Russlanddeutsche betrachten unsere Literatur als Brücke zwischen Ost und West und möchten zur Völkerverständigung beitragen. In der Lesung präsentieren wir neue Lyrik und Prosa von Autoren Artur Böpple, Agnes Gossen-Giesbrecht, Martin Thielmann, Eduard Isaak und Katharina Peters. Vom literarischen Nachwuchs werden Irina Malsam, Katharina Martin-Virolainen, Anna Graf und Dorothea Enss ihre Texte präsentieren. Den musikalischen Rahmen gestaltet der Liedermacher, Pianist und Gitarrist Oleg von Riesen. Moderation: Agnes Gossen