Ist jede Äußerung eine Aussage?

Sie ahnen es sicher: Wenn dem so wäre, bedürfte es vermutlich nicht dieses Artikels. Da ich aber immer wieder in Texten auf Passagen treffe, in denen ich den einen Begriff durch den anderen ersetze, möchte ich an dieser Stelle wieder etwas Klarheit ins Dunkel der vermeintlichen Synonyme bringen. Eine Äußerung kann jegliche Art sein, sich oder etwas zu äußern, und zwar auch in Form von Ausrufen („Na, sieh mal einer an!“, „Hört! Hört!“), Interjektionen („Oh!“, „Pfui!“), lautmalerischen Sequenzen („Rums!“, „Hui!“) oder Grußwörtern („Hallo!“, „Tschüss!“). Ganze Bücher widmen sich inzwischen auch den nonverbalen Äußerungen, der sogenannten Körpersprache. Das kann ein geschickt platziertes Räuspern sein, eine im richtigen Moment hochgezogene Augenbraue oder auch die berühmte russische Geste des Schnipsens an den Hals als Antwort auf die Frage nach den Plänen für den Rest des Abends. All das sind durchaus Äußerungen – der Freude, des Erstaunens, der Missbilligung oder einer Absicht. Aussagen jedoch sind es nicht.

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Buchtipp: „Die geheimnisvolle Pracht der Städte des Goldenen Rings“ von Susanne Pfau

Neujungfrauenkloster / Moskau (c) Alexander Milanitsch, Fotobank „Lori“

Die Geheimnisse Russlands in einem Buch erkunden

Die Gmünder VHS-Dozentin Dr. Susanne Pfau entführt in die
geheimnisvolle Pracht der Städte des Goldenen Rings.


Russland ist derzeit in aller Munde, aber dass dies so ist, das
ist meist in der Politik begründet. Unstimmigkeiten, politische
Machtspiele, die „Annexion“ der Krim, die Sanktionen
dominierten vor ein paar Jahren den medialen Alltag. Dabei ist Russland kulturell seit Jahrhunderten eng mit Deutschland verbunden, die Schätze Russlands geraten aus dem Fokus. Dr. Susanne Pfau will das mit einem reichhaltig bebilderten Buch über den sagenumwobenen Goldenen Ring ändern. Viele werden sich zunächst einmal fragen, was ist der Goldene Ring überhaupt?

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Erster Lyrikband von Max Schatz mit dem Titel „NIHILSCHWIMMER“ ist erschienen

Bereits seit dem 18. Jahrhundert gibt es die strenge poetische Form des Sonettenkranzes: 14 Sonette, die jeweils letzte Zeile wiederholt sich als die erste Zeile eines nächsten Sonetts, das 15. „Meistersonett“ fasst dann alle Anfangs- bzw. Endzeilen gemäß ihrer Reihenfolge zusammen.
Der zweisprachige Autor Max Schatz holt die alte, doch immer noch als ein dichterischer Kraftakt geltende Form ins 21. Jahrhundert und füllt sie mit modernem Inhalt. Sein erster Lyrikband „Nihilschwimmer“ versammelt – was es so bisher noch nicht gab – alle seine deutschen Sonettenkränze unter einem Buchdeckel. Jedes dieser Langgedichte erzählt eine Geschichte: Ein lyrisches Ich, das zeitlebens nicht in seinem Element ist … doch gezwungen, darin zu bleiben … stets auf der Reise zu, auf der Suche nach … irgendeine Wahrheit ablehnend, im Dunkel des Lebens am Ariadnefaden entlang … zurück zum Sinn.

Lesen Sie dazu eine ausführliche Rezension in der Moskauer Deutschen Zeitung. (Juli, 2020).

Hrsg. vom BKDR und dem Literaturkreis der Deutschen aus Russland e. V.

Bestellungen unter: kontakt (at) ostbooks (punkt) de


NIHILSCHWIMMER, von Max Schatz, Sonettenkränze, ISBN 978-3-947270-09-5, Taschenbuch, ostbooks buchstudio, Preis: 10,00 € (D)

Roman „Wir selbst“ von Gerhard Sawatzky erstmals in Buchform erschienen

von Nina Paulsen

„Es ist ein Text, der zum kulturellen Gedächtnis gehört.“ (Prof. Dr. Carsten Gansel, der Herausgeber)

Gerhard Sawatzky (1901-1944)

Es ist ein Text, der zum kulturellen Gedächtnis gehört, und dies stark zu machen, das scheint mir wichtig. Unabhängig davon halte ich es für eine grundsätzliche Aufgabe von Literaturwissenschaft, das Gedächtnis zu bewahren und sich auch nicht von Gegenstimmen, die es hier wie da gibt, abhalten zu lassen“, sagt der Literaturwissenschaftler und Herausgeber, Prof. Dr. Carsten Gansel, über den Roman „Wir selbst“ von Gerhard Sawatzky (1901-1944), der Anfang März 2020 im Verlag Galiani Berlin – mehr als 80 Jahren nach seinem Verbot und über 30 Jahre nach der Veröffentlichung der gekürzten Fassung im Literaturalmanach „Heimatliche Weiten“ (1984-1988) – erstmals in Buchform erschienen ist. Der nachstehende Beitrag  erzählt über das tragische Schicksal des Autors und das zuerst verschollene Manuskript, über die Bemühungen um die Veröffentlichung des Romans „Wir selbst“ in den 1980er Jahren und heute, den Symbolcharakter des Titels über Jahrzehnte hinweg sowie die Bedeutung des Werkes für die Erinnerungskultur der russlanddeutschen Volksgruppe.

Sawatzkys großer Gesellschaftsroman, der zu Lebzeiten des Autors nie erschienen war und erst in den 1980er Jahren im Almanach „Heimatliche Weiten“ (Moskau) zensiert veröffentlicht werden konnte, ist das „bedeutendste Werk der sowjetdeutschen Vorkriegsliteratur“ (nach Woldemar Ekkert, 1910-1991), das mit der Behandlung des Lebens der Wolgadeutschen in der Zwischenkriegszeit ein untergegangenes Stück Zeitgeschichte darstellt. „Wir selbst“ erzählt von einer untergegangenen Welt, derjenigen der ASSR der Wolgadeutschen (1918-1941). Im häufigen Szenenwechsel zwischen Land und Stadt beschreibt der Roman entscheidende Momente im Leben der Wolgadeutschen von 1920 bis 1937: die Auswirkungen der Oktoberrevolution 1917, den Bürgerkrieg, die Etablierung der Sowjetmacht, den offenen und getarnten Klassenkampf, die Kollektivierung und Industrialisierung.

„Auch wenn Sawatzky schon beim Schreiben die Angst vor stalinistischen Säuberungsaktionen im Nacken saß und er manches unterschlug bzw. beschönigte – sein Buch ist ein höchst bedeutendes Zeitzeugnis“, ist in der Verlagsvorschau zum Buch nachzulesen. Der Herausgeber Carsten Gansel (geb. 1955, Professor für Neuere Deutsche Literatur und Mediendidaktik in Gießen) hat die einzigartige Edition mit einem aufschlussreichen Nachwort und dokumentarischem Material zur Wolgadeutschen Republik und ihrer Literatur versehen.

Hugo Wormsbecher: „… ein großes Ereignis für unsere ganze Literatur, für unsere Kultur, für unsere Geschichte …“

Gerhard Sawatzky wurde 1901 in der Süd­ukraine geboren, verbrachte seine Kindheit in Westsibirien und studierte am Leningrader Pädagogischen Herzen-Institut. Danach arbeitete er zuerst als Lehrer, dann als Journalist und Autor im Wolgagebiet. Sawatzky, der als wichtigster Literat der jüngeren Generation der Wolgadeutschen und Vorkämpfer einer eigenständigen „sow­jetdeutschen“ Literatur galt, vollendete 1937 sein Werk „Wir selbst“. Noch bevor der Roman, der bereits in Druckvorbereitung war, veröffentlicht wurde, wurde Sawatzky Ende 1938 verhaftet und starb 1944 im GULag Solikamsk. Sawatzkys Witwe Sophie Sawatzky gelang es jedoch, bei der Deportation nach Sibirien unter dramatischen Umständen das ursprüngliche Manuskript zu retten. In den Jahren 1984 bis 1988 wurde der Roman erstmals in voller Fassung (allerdings bearbeitet und zensiert) im Almanach „Heimatliche Weiten“ veröffentlicht.

Zur Bedeutung der Veröffentlichung des Romans „Wir selbst“ erstmals in Buchform schreibt Hugo Wormsbecher  (geb. 1938, wohnhaft in Moskau, 1981-1989 Chefredakteur des Literaturalmanachs „Heimatliche Weiten“):

Hugo Wormsbecher (Moskau)

„Schon das erste Erscheinen des Ro­mans von Gerhard Sawatzky in den 1980er Jahren im Literaturalmanach ‚Heimatliche Weiten‘, ein halbes Jahrhundert nach seiner Fertigstellung in der ASSR der Wolgadeutschen und dann seinem baldigen Verbot, war ein großes Ereignis für die Neuentdeckung der bis dahin gesamt verbotenen Vorkriegsliteratur der Russlanddeutschen. Wie auch einige Jahre zuvor die Gründung des Almanachs ein großes Ereignis für unsere ganze Literatur, für unsere Kultur, für unsere Geschichte war.

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Buchtipp: Nelli Kosskos neues Buch „Wie Sand zwischen meinen Fingern“ ist erschienen

Es ist ein unstetes Leben, das die russlanddeutsche Journalistin führt, führen muss – so wollte es die ereignisschwangere Zeit Mitte des 20. Jahrhunderts, so wollten es die Umstände: nach einer dreißigjährigen und übrigens nicht freiwilligen Odyssee von der Schwarzmeerküste über Polen nach Dresden und zurück in die UdSSR bis an die Beringstraße, kehrt sie 1975 in ihre Wahlheimat, nach Deutschland zurück. Sie liebt das Land ihrer Urahnen, hat es schon immer über alles geliebt, seit sie denken kann, weil sie überzeugt ist: es ist der Ort, an dem sie und ihresgleichen endlich heimisch werden können nach den vielen Jahrzehnten der Suche nach einem Platz an der Sonne. Das Gefühl wurde ihr von der Mutter, einer Deutschen aus dem Schwarzmeergebiet von Kindesbeinen an eingebläut.

Doch angekommen muss nicht gleich heißen angenommen. Die Protagonistin des Buches, die an eigener Haut gespürt bekommen hat, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist, muss nun erst mal mit Verwunderung feststellen, dass der bloße Wunsch Dazu-gehören-zu-wollen bei Weitem nicht ausreicht, um dieses Ziel zu erreichen, und dass die neue Heimat erst erobert und die neuen Mitbürger überzeugt werden müssen. Über Erfolge und Misserfolge, über kleine Siege und große Niederlagen, über Fortschritte und Verluste, Stolpersteine und Freuden auf diesem Weg berichtet dieses Buch, das exemplarisch für viele Schicksale der russlanddeutschen Heimkehrer steht.

Das Buch wurde herausgegeben vom Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR Verlag). In Übersetzung von Carola Jürchott. Bei Interesse kontaktieren Sie bitte den BKDR Verlag unter: kontakt [at] bkdr.de

Gedichte, die das Leben feiern!

Zur Erscheinung des Buches „Orchester der Hoffnung unter der Leitung der Liebe“ von Andreas A. Peters. Gedichte & Lieder. Fotografien Christian Weingartner. Bernardus-Verlag, 2019

Manchmal kommen die Gedichte von Andreas Andrej Peters wie kleine, verspielte Kinderlieder daher. Dann haben sie Klang, Rhythmus und scheuen  weder schiefe Reime noch schräge Bilder. Es ist das Unvollkommene, das sie auf eine überraschende Weise unantastbar macht, ja mehr noch: das sie pathetisch funkeln lässt in einer Zeit, die den Lobpreis verlernt zu haben scheint und selbst den Kindern jede liedhafte Poesie vorenthält.

Manchmal sind diese Gedichte auch sehr kämpferisch angelegt. Andreas Andrej Peters ist ein bibelfester Lyriker, ein bekenntnishafter Autor, der aus seinem christlichen Glauben in einer glaubensentwöhnten Zeit keinen Hehl macht. Warum auch? Für Zweifler, zu denen ich mich selbst immer wieder zähle, bleiben viele Fragen. Aber es ist das Verdienst von Andreas Andrej Peters, dass er uns, fest verankert im Horizont seines Glaubens, zum Widerspruch provoziert, zur Auseinandersetzung anstiftet. Das Christentum ist für ihn keine Reminiszenz an die Kindheit und keine kulturelle Staffage, schon gar keine ideologische Verbrämung des Abendlandes, sondern Lebenswirklichkeit im Hier und Heute.

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„Andersrum“ von Rosa Ananitschev – Leseprobe

Die folgende Geschichte spielt sich in einem kleinen Dorf ab, das in einem weiten Land zwischen vielen Birkenwäldern liegt. Die Menschen in der Siedlung arbeiten hart und müssen viel Leid und Ungerechtigkeiten ertragen. Auch die kleine Lisa kämpft sich tapfer durch das Leben. Sie hat ihr ganz persönliches, schweres Päckchen zu tragen.
Wir schreiben das Jahr 1958.

Wie so oft wird Lisa mitten in der Nacht wach. Sie hat etwas geträumt, kann sich allerdings nicht mehr erinnern, was es war. Sie weiß nur – es war schlimm; der Albtraum nahm ihr Herz in den eisernen Griff und jetzt, wieder befreit, schlägt es schnell und hämmernd in ihrer Brust.
Lisa hat im Schlaf geweint und spürt noch die Nässe im Gesicht. Ein Schluchzen entfährt ihr, als sie tief ein- und ausatmet. Ihr Herz beginnt sich allmählich zu beruhigen.
Da hört sie eine Stimme, die nicht von außen zu kommen scheint, sondern direkt in ihrem Kopf sitzt: „Hallo, Lisa!“
Das Mädchen hält den Atem an und lauscht angestrengt in sich hinein. Aber sie hört nur das gewohnte leise Schnaufen und Schnarchen ihrer Geschwister. Dann dreht sie sich auf den Rücken. Es ist nicht ganz düster im Zimmer. Der Mondschein von draußen hinterlässt einen hellen Streifen auf dem Holzfußboden und erfasst auch die dunkle Gestalt, die auf dem Rand des Bettes sitzt.
„Hab‘ keine Angst“, sagt erneut die Stimme in Lisas Kopf. Ohne es begründen zu können, weiß das Mädchen sofort, dass sie zu dieser Erscheinung gehört.
Das Kind hat gar keine Angst – der Fremde ist zwar vollständig in Schwarz gehüllt, aber überhaupt nicht furchterregend.
„Wer bist du? Was machst du hier?“, flüstert Lisa erstaunt.
„Ich bin gekommen, um dir deinen größten Wunsch zu erfüllen“, antwortet die wohlklingende Stimme. „Du hast doch einen?“
Lisa setzt sich langsam auf und schaut die Gestalt an. Dann schüttelt sie den Kopf und raunt: „Das kannst du nicht. Das kann nicht mal der liebe Gott.“
Ein plötzlicher Verdacht kommt in ihr auf und sie fragt vorsichtig: „Du bist doch nicht Gott?“

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Buchtipp: „Migrant … und nun?“ von Lothar Berg

Ein Gastbeitrag von Nina Paulsen

Biographie über schwierige und dennoch erfolgreiche Integration eines Russlanddeutschen               

„Migrant … und nun? Das Leben des Alexander ‚Sascha‘ D.“ heißt das Buch des deutschen Schriftstellers Lothar Berg, das im März 2020 im Berliner Anthea Verlag erscheint und die Thematik Migration/Integration, eines der größten Probleme der Gegenwart, am Beispiel der Biografie eines jungen Russlanddeutschen in den Mittelpunkt rückt. 

(c) Anthea Verlag

Das Buch ist ein Zeitzeugnis, das schonungslos und ungeschönt beide Seiten porträtiert – die der Zugewanderten (Migranten) und der sogenannten Aufnahmegesellschaft. Damit wollen sowohl der Autor als auch der Verlag die Öffentlichkeit für die aktuelle Problematik der Migration sensibilisieren. Die Biographie des Protagonisten

Alexander „Sascha“ D. ist eine in Fakten und Sprache ungeschönte Geschichte darüber, was man sich unter dem Migrantenschicksal, eines jungen Menschen mit Migrationshintergrund, tatsächlich vorzustellen hat.

Es ist keine Bilderbuchbiographie mit einem direkten Erfolgsweg, sondern eine mit Ecken und Kanten, die auf Umwegen dennoch zum Erfolg führt und zeigt: „Hinfallen ist keine Schande, nur Liegenbleiben“, um es mit dem Titel einer bekannten Biographie auszudrücken. So gesehen ist das Buch, dem ein authentischer Lebenslauf zugrunde liegt und für viele ähnliche Lebensläufe steht, vor allem auch eine dringend notwendige Diskussionsgrundlage. „Buchtipp: „Migrant … und nun?“ von Lothar Berg“ weiterlesen

Roman von Gerhard Sawatzky „Wir selbst“ erscheint erstmals in Buchform

„Es ist ein Text, der zum kulturellen Gedächtnis gehört, und dies stark zu machen, das scheint mir wichtig. Unabhängig davon halte ich es für eine grundsätzliche Aufgabe von Literaturwissenschaft, das Gedächtnis zu bewahren und sich auch nicht von Gegenstimmen, die es hier wie da gibt, abhalten zu lassen“, sagt der Literaturwissenschaftler und Herausgeber, Prof. Dr. Carsten Gansel, über den Roman „Wir selbst“ von Gerhard Sawatzky (1901-1944), der Anfang März 2020 im Verlag Galiani Berlin erscheint.

Gerhard Sawatzky, in der Südukraine geboren, verbrachte seine Kindheit in Westsibirien und studierte am Leningrader Pädagogischen Herzen-Institut. Danach arbeitete er zuerst als Lehrer, dann als Journalist und Autor im Wolgagebiet, wo er als wichtigster Literat der jüngeren Generation der Wolgadeutschen und Vorkämpfer einer eigenständigen „sowjetdeutschen“ Literatur galt. 1937 vollendete er seinen Roman „Wir selbst“. Noch bevor der Roman, der bereits in Druckvorbereitung war, das Licht der Welt erblickte, wurde Sawatzky Ende 1938 verhaftet und starb Jahre später (1944) im GULag Solikamsk. Das Buch ist nie erschienen. Doch Sawatzkys Witwe Sophie Sawatzky gelang es, bei der Deportation nach Sibirien unter dramatischen Umständen das Urmanuskript zu retten.

„Wir selbst“ erzählt von einer untergegangenen Welt, nämlich der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen (1918-1941). Im häufigen Szenenwechsel zwischen Land und Stadt beschreibt der Roman die entscheidende Wende im Leben der Wolgadeutschen von 1920 bis 1937: Die Auswirkungen der Oktoberrevolution 1917, den Bürgerkrieg, die Etablierung der Sowjetmacht, den offenen und getarnten Klassenkampf, die Kollektivierung und Industrialisierung.

Sawatzkys großer Gesellschaftsroman, der zu Lebzeiten des Autors nie erschienen war und erst 1984-1988 im Almanach „Heimatliche Weiten“ (hrsg. von Hugo Wormsbecher, Moskau – leider bearbeitet und zensiert) veröffentlicht werden konnte, ist das „bedeutendste Werk der sowjetdeutschen Vorkriegsliteratur“ (laut Woldemar Ekkert), das mit dem Leben der Wolgadeutschen in der Zwischenkriegszeit ein untergegangenes Stück Zeitgeschichte darstellt.

„Auch wenn Sawatzky schon beim Schreiben die Angst vor stalinistischen Säuberungsaktionen im Nacken saß und er manches unterschlug bzw. beschönigte – sein Buch ist ein höchst bedeutendes Zeitzeugnis“, ist in der Verlagsvorschau zum Buch nachzulesen. Der Herausgeber Carsten Gansel (geb. 1955, Professor für Neuere Deutsche Literatur und Mediendidaktik in Gießen) hat die einzigartige Edition mit einem aufschlussreichen Nachwort und dokumentarischem Material zur Wolgadeutschen Autonomen Republik und ihrer Literatur versehen. „Roman von Gerhard Sawatzky „Wir selbst“ erscheint erstmals in Buchform“ weiterlesen

Buchtipp: Roman „Die Rache der Baba Jaga“ von Artur Rosenstern

Vor Kurzem ist das neue Buch „Die Rache der Baba Jaga“ von Artur Rosenstern erschienen, das bereits im Jahr 2015 hätte das Licht der Welt erblicken sollen. Der damalige Verlag erfüllte leider seine vertraglichen Zusagen nicht, sodass Rosenstern die Nutzungsrechte zurückforderte. Nun erschien der Roman im engagierten Hildesheimer Verlag Monika Fuchs.

Zum Inhalt

Gisbert ist 32 Jahre alt, Arminia-Fan, Slawistik-Student im 20. Semester an der Bielefelder Uni. Und er ist verliebt: in die ebenso so schöne wie kluge Ukrainerin Julia. Aber als er Julias Eltern kennenlernt, wird ihm klar, dass mit ihrer Mutter nicht gut Pelmeni essen ist. Sie hält ihn für einen Loser, auf keinen Fall will sie ihm ihre Tochter anvertrauen. Gisbert soll ihr erst beweisen, dass er ein ganzer Kerl ist. Sie schickt ihn in die Ukraine, um dort Sitten, Gebräuche und vor allem die Verwandtschaft kennenzulernen. Gemeinsam mit seinem Freund Karl-Heinz macht Gisbert sich auf den Weg nach Olexandriwka, einem Dorf auf der Krim. Doch die alte Hexe zieht von Hannover aus die Fäden, um ihm das Leben so schwer wie möglich zu machen …

Geboten werden deutsch-ukrainische Verwicklungen und Fettnäpfchen mit einem Schuss Liebe, halben Kerlen, Fußball, Schleiermacher und den schärfsten Pelmeni der Welt. Aus einer Zeit, in der die Arminia erstklassig war und Putin die Krim noch nicht wollte. Mehr dazu erfahren Sie auf der Internetseite des Verlags Monika Fuchs.

Dort finden Sie auch eine Leseprobe! Ausführliche Besprechungen des Buches finden Sie in der Moskauer Deutschen Zeitung .

260 Seiten, ISBN 978-3-947066-40-7

Erschienen am 23. Januar 2020.

Preis: 12,90 €