Buchtipp: „Am Ende die Freiheit“ von Jakob Martens


Durch Zarenreich und Sowjetunion nach Südamerika, Neu herausgegeben von Berthold Kliewer

Wir schreiben das Jahr 1932: In der Dachkammer des Deutschen Konsulats in Leningrad wartet der 34-jährige Jakob Martens auf die Ausreisegenehmigung in den Westen zu seiner bereits aus der Ukraine geflohenen Familie. Hinter ihm liegt die Erfahrung des Ersten Weltkriegs, der Terror anarchistischer Banden, der Bürgerkrieg, die Drangsalierung durch die Bolschewisten und schließlich die Verbannung als Kulak in die Arbeitslager im nördlichen Russland. Eine gefahrvolle Flucht zu Fuß aus einem Hungerlager durch die winterliche Landschaft hat ihn bis ans Tor zur Freiheit, Leningrad, gebracht. Noch weiß er nichts von seiner erneuten Verhaftung, der Odyssee durch mehrere Gefängnisse und den endlosen Verhören durch die sowjetischen Geheimpolizei GPU in Archangelsk am Weißen Meer. Dort wird er eine Kollaborationsvereinbarung trotz Aussicht auf Freilassung und sogar unter Todesandrohung ablehnen. Wieder verurteilt, kommt er zusammen mit hunderten weiterer Verbannter unter unvorstellbaren Bedingungen in einem Kohlefrachter über das Weiße Meer in ein Schweigelager nahe dem nördlichen Ural. Hier übersteht der Verbannte zwei lebensbedrohliche Erkrankungen und kommt schließlich nach fünfjähriger Lagerhaft frei.

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„Begegnungen: Russlanddeutsche Autoren im Gespräch und Porträt“ – von Nina Paulsen und Agnes Gossen

Die Autorinnen Nina Paulsen und Agnes Gossen im Interview

(Die Fragen stellte die Journalistin und Autorin Katharina Martin-Virolainen, VadW)

Katharina Martin-Virolainen: Vor einiger Zeit ist beim BKDR- Verlag der Sammelband „Begegnungen: Russlanddeutsche Autoren im Gespräch und Porträt“ erschienen. Wie ist die Idee dazu entstanden, Interviews und Porträts von russlanddeutschen Autoren in einem Buch zu sammeln?

Band I, BKDR Verlag

Nina Paulsen: Mein vertieftes Interesse für die russlanddeutsche Literatur und ihre Akteure ist in über 40 Jahren zur Herzensangelegenheit mit viel Forschungsdrang geworden. In meinem mehr als 20-jährigen Berufsleben bei der deutschsprachigen Zeitung „Rote Fahne“ / „Zeitung für Dich“ in Slawgorod, Altairegion, waren es Alexander Beck, Waldemar Spaar, Andreas Kramer und Edmund Günther, mit denen ich mehrere Jahre zusammengearbeitet habe. Woldemar Herdt, Friedrich Bolger und Ewald Katzenstein, aber auch Johann Warkentin, Dominik Hollmann oder Ernst Kontschak habe ich bei Autorenseminaren und Dichterlesungen erlebt. Schon damals sind einige Interviews und Porträts entstanden, die für die vorliegende Publikation aktualisiert und ergänzt wurden. Viel intensiver ist es dann in Deutschland geworden, wo ich seit 2000 lebe und seit 2002 Redakteurin bei der Landsmannschaft bin. Hier hatte ich das Glück, mit weiteren russlanddeutschen Autoren in Kontakt zu treten und sie für aufschlussreiche Interviews zu gewinnen.Zahlreiche Gespräche und literarische Porträts bekannter und weniger bekannter russlanddeutscher Autoren aus allen Generationen sind in der Verbandszeitung „Volk auf dem Weg“, in den Heimatbüchern der LmDR, aber auch im Wandbildkalender des Historischen Forschungsvereins oder im Almanach des Literaturkreises der Deutschen aus Russland erschienen.

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1. Nora-Pfeffer-Literaturpreis 2022: Die Jury gab die Namen der Preisträger bekannt

Der Nora-Pfeffer-Literaturwettbewerb wird vom Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) und dem Literaturkreis der Deutschen aus Russland e. V. durchgeführt.

(c)yannistockphoto

Das BKDR und der Literaturkreis der Deutschen aus Russland schrieben im Februar 2022 erstmalig den Nora-Pfeffer-Literaturwettbewerb für junge Autorinnen und Autoren im Alter unter 40 J. aus. Eine fachkundige Jury hatte sich der eingesandten Beiträge angenommen und mittels Abstimmung zwei Preisträgerinnen und einen Preisträger in den zwei folgenden Kategorien ermittelt: Prosa und Lyrik (im Bereich Essay wurde dieses Jahr kein Preis vergeben).

Die Ausschreibung war mit insgesamt 900 EUR dotiert. Das Preisgeld wird dieses Jahr wie folgt aufgeteilt:

  • Katharina Dück (Neustadt an der Weinstraße) und Philipp Brotz (Waldkirch) bekommen je 300 EUR für die besten Kurzgeschichten
  • Alisha Gamisch (Berlin) bekommt ebenfalls 300 EUR für die besten Lyrikbeiträge

Wir gratulieren den Preisträgerinnen und dem Preisträger und danken herzlich allen Autorinnen und Autoren für die Beteiligung an unserem Wettbewerb sowie den Jurymitgliedern für ihre Unterstützung! Die Preisträgertexte werden im nächsten Almanach des Literaturkreises der Deutschen aus Russland veröffentlicht.

Die offizielle Preisverleihung mit öffentlicher Lesung findet am 16. Dezember 2022 um 19:00 Uhr in Nürnberg im Foyer der Villa Leon statt (Philipp-Koerber-Weg 1, 90439 Nürnberg). Einlass ab 18.30 Uhr. Weitere Informationen zum Amt für Kultur und Freizeit finden Sie unter:

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Buchtipp: „Wir verstehen nicht, was geschieht“ von Viktor Funk

Lew und Swetlana haben ein Leben gelebt, das im Nachhinein unmöglich erscheint. Eine Revolution, zwei Terrorregime – danach eine lange, erfüllte Beziehung. Ein junger Historiker aus Deutschland, Alexander List, sucht den bereits betagten Lew Mischenko in Moskau auf. Er will ihn interviewen und mehr über Menschen erfahren, die den Gulag überlebt haben, und über ihre Lieben, ihre Freundschaften, aber auch ihre Traumata.

Der Roman »Wir verstehen nicht, was geschieht« folgt den Lebensspuren mehrerer realer Personen, im Zentrum steht der Physiker Lew Mischenko. Während seiner Haftzeit im Gulag schrieben er und seine Frau Swetlana einander Briefe. Diese will Mischenko dem Historiker List überlassen – unter der Bedingung, dass er mit ihm nach Petschora reist, hoch oben im russischen Norden, wo Mischenko neun Jahre im Lager verbrachte und wo ein Freund, Jakow Israelitsch, auf ihn wartet.

VIKTOR FUNK, geboren 1978 in der Sowjetunion (Kasachstan), kam als Elfjähriger 1990 nach Deutschland. Er ging in Wolfsburg zur Schule, studierte später in Hannover Geschichte, Politik und Soziologie. Seine Magisterarbeit in Geschichte beschäftigte sich mit dem Vergleich mündlicher und schriftlicher Erinnerungen von Gulag-Überlebenden. Viktor Funk arbeitet als Politikredakteur mit dem Schwerpunkt Russland bei der Frankfurter Rundschau. Sein erster Roman »Mein Leben in Deutschland begann mit einem Stück Bienenstich« erschien 2017. Er lebt in Frankfurt am Main.

Viktor Funk
WIR VERSTEHEN NICHT, WAS
GESCHIEHT
Roman
Hardcover, 156 Seiten, 20 €
ISBN 978-3-95732-536-5

Verbrecher Verlag

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„Es werde Mensch!“ – ein Essay von Artur Rosenstern

(aus: „Rapunzelzeiten“, Anthologie der Herforder AutorInnen-Gruppe, erschienen 2022 bei ostbooks)

Liebe Hilde!
Viele liebe Grüße von schönen Tagen in Bad Wildungen, bei herrlichstem Wetter. Aber ich sorge mich um Dich. Hoffentlich fühlst Du Dich bald weniger unglücklich und kaputt; sonst mußt Du wieder zurückgehen. Heinz kommt am 13.7. für ein paar Tage nach Bad Salzuflen. Herzliche Grüße
von Deiner Elisabeth und (unbekannterweise) von Heinz B.
(9.7.83)

Ausgerechnet zu Beginn der Corona-Pandemie, um genau zu sein vor etwa zweieinhalb Jahren, am 7. März 2020, kam mir bei einem abendlichen Abstecher zum Supermarkt der Gedanke, ein ganzes Jahr lang keine neuen Bücher zu kaufen, sondern mich darauf zu beschränken, zuallererst meine eigene Bibliothek zu durchforsten, zu lesen oder mich alternativ auf die Suche nach vergessenen Büchern zu machen, Geschichten von lebenden und toten Freunden oder wenig bekannten Dichtern nachzuspüren. Von jeher haben mich Ruinen, alte Häuser, Festungen fasziniert, weniger wegen der Architektur, sondern wegen der Menschen, die dort lebten, miteinander lachten oder weinten, hofften oder verzweifelten und sich wahrscheinlich wie wir fragten, wie es wohl weitergeht. Wie wird das Leben ‚nach der Krise‘ sein? Genauso oder anders als vorher, und wenn anders, dann wie?

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„Leben und Tod von Godehard Drachenhund“, eine Leseprobe von Max Schatz

Sonettenkranz aus „Nihilschwimmer“,

erschienen im ostbooks Verlag, 2020.

I

So wie du gingst, so kommst du wieder her,
zerbrechlich, winzig wie ein Blatt im Winde,
und aller Welt Glück liegt in diesem Kinde,
sagt man und meint, du seist noch „nirgendwer“.

In dir die Welt, vor dir der Wege Meer
(wo jeder zweite sei ein Weg der Sünde),
so jeder Fluss in einen andren münde,
doch jener ist er selbst und sonst nichts mehr.

Zum ersten Mal hast du das Licht erblickt,
von einem Stern, der Sonne heißt, geschickt,
das Glück der Eltern, Lächeln der Hebamme.

Gott geizte nicht mit Leben, Raum und Zeit,
erfreu dich an der Dinge Einfachheit!
Noch bist ein Funken nur, noch keine Flamme.

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Workshop „Schreiben fürs Theater“ mit Jurij Diez

9. bis 11. September 2022 in der Villa Welschen, Am Lehmstich 15, Oerlinghausen.


Veranstalter: Literaturkreis der Deutschen aus Russland e. V.

Jurij Diez während des Workshops

Der Literaturkreis der Deutschen aus Russland e. V. veranstaltete vom 9. bis 11. September 2022 in der Heimvolkshochschule St. Hedwigs-Haus in Oerlinghausen einen Workshop zum Thema „Schreiben fürs Theater“ mit dem Münchener Schauspieler und Regisseur Jurij Diez.

Zwanzig Autorinnen und Autoren mit vornehmlich russlanddeutschem Hintergrund kamen an diesem Wochenende zusammen, um die Grundlagen des szenischen Schreibens zu erlernen. Das Theater begeistert und hilft Menschen, sich selbst, die Welt, das Leben besser zu verstehen, zu fühlen und bestimme Situationen aus einer anderen Perspektive zu betrachten.  In diesem Workshop tauchen die Teilnehmenden gemeinsam in die Welt des dramaturgischen Schreibens ein und entwickelten anhand konkreter Biografien Ideen und Konzepte für ein Bühnenstück.  

Vorstand
Literaturkreis der Deutschen aus Russland e. V.

Das Projekt wurde gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und das Kulturreferat für Russlanddeutsche (Detmold).

Katharina Martin-Virolainens Romandebüt “Die Stille bei Neu-Landau“ – eine Rezension

Vergang’ne Zeiten kehr’n niemals wieder… Doch wenn die Alten das Glas erheben, dann kehrt noch einmal die Jugend zurück. Nur als Margo dieses Ständchen, das Lied Schön ist die Jugend, zu ihrem 80. Geburtstag vernimmt, sind es keine schönen Erinnerungen, die sie einholen. Denn die Jugend ist ihr geraubt worden und irgendwo zwischen der Ukraine, Deutschland und Kasachstan buchstäblich auf der Strecke geblieben …

Ein Gastbeitrag von Tatjana Kohler

Wie viel kann ein Herz ertragen?

„Die Beamtin, die schon einige Jahre Berufserfahrung hatte, war auf solch eine Situation in keiner Fortbildung, in keinem Workshop und in keiner Gruppensitzung vorbereitet worden. Mit zitternder Stimme erzählte sie der alten Dame, dass sie ihren Mann gefunden haben…“

Ich erinnere mich noch genau an die Erzählung „Ein gewöhnlicher Fall“ aus Katharina Martin-Virolainens Erstlingswerk „Im letzten Atemzug“. Damals dachte ich bei mir: Was für ein schweres Los! Zwar hatte es auch unter meinen schwarzmeerdeutschen Vorfahren gewaltsame Trennungen und Verschollene gegeben. Doch dass ein Ehepaar, deren einziges Liebeszeugnis eine gemeinsame Tochter war, den jeweiligen Partner jahrzehntelang für tot hielt? Nein, allein die Gewissheit, dass es solche Leidenswege tatsächlich gab, empfand ich bei der Lektüre schier unerträglich.

Zwei Jahre später versank ich in Katharina Martin-Virolainens Roman-Debüt „Die Stille bei Neu-Landau“ und lernte eine weitaus grausamere Variation desselben Erzählstoffs kennen. Denn plötzlich ist es außer dem alten Mütterchen auch noch seine Schwester, die unter dem Verschwinden des Mannes mit dem Namen Christian Stille ein Leben lang still vor sich hin gelitten hat.

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Trau, schau, wem?

Der Inhalt dieser Redewendung, die meine Großmutter so gern benutzte, erschloss sich mir in meiner Kindheit erst nach und nach, und auch die grammatikalischen Fallstricke, die zumindest das erste der beiden Verben in sich birgt, treten hier noch nicht so offensichtlich zutage.
Häufig hört man nämlich Sätze wie:
„Ich traue mir das nicht.“
Liest man nun die Überschrift, könnte man denken: „Natürlich, ‚trauen‘ verlangt den Dativ.“ Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit.
Wenn es wie in der Redewendung darum geht, ob man jemandem trauen kann, ist das zweifellos richtig. Hier geht es um das Vertrauen, das man einer Person entgegenbringt, und dafür ist der Dativ natürlich das einzig Wahre.

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Kinderbuch „Du bist schwer in Ordnung, Hannah“ von Andreas A. Peters erschienen

Mit dem Buch „Du bist schwer in Ordnung, Hannah“ von dem preisgekrönten Autor Andreas A. Peters eröffnete der BKDR Verlag eine neue Buchreihe, die sich an Kinder verschiedenen Alters richtet. Es sind in dem Buch vernehmlich Kindergedichte und Lieder über Gott und die Welt zu finden…

Ein Buch mit Kindergedichten und Liedern über Gott und die Welt!

Der Autor selbst, dessen Kind nämlich von einer der Trisomie-Formen betroffen ist, gibt allerdings an, es sei ein Buch für Kinder UND Erwachsene. Man merkt den Texten an, dass sich der Autor mit diesem Themenkomplex intensiv beschäftigt hat.

Die renommierte deutsche Literaturzeitschrift „DAS GEDICHT“, in der Andreas A. Peters quasi Stammautor ist, hatte vor etlichen Jahren eine Ausgabe über Religion und Poesie herausgebracht, darin auch einen Teil über religiöse Kindergedichte. Die Ausgabe löste eine sehr positive Resonanz aus und inspirierte Peters, diese Idee weiter zu verfolgen bzw. lyrisch zu verarbeiten. Aus dieser Idee ist dieses Buch entstanden.

Der bekannte russlanddeutsche Autor Wendelin Mangold schreibt im Nachwort zu diesem Buch treffend:

„Er (Autor) weiß, dass Kinder mit Fragen über Gott und die Welt direkt und unbeschwert umgehen können, daher auch oftmals weiser als die Greise sind, da sie noch nicht ganz mit Klischees zugepflastert wurden, einen offenen Blick haben, wenn sie auch noch nicht viel vom Weltall, von Politik, Kriegen, Mord- und Totschlag wissen, noch einen niedrigeren Abstraktionsgrad besitzen als die Erwachsenen und die Welt und die Menschen ausschließlich gut finden.“

Zum Autor

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