Stark oder schwach – das ist hier die Frage

Dass ein Wort verschiedene Bedeutungen haben kann, ist keine Neuigkeit, und dass man diese Erscheinung „Polysemie“ nennt, ist ebenfalls bekannt. Genauso verhält es sich mit der Homonymie, einer Erscheinung, bei der mehrere Wörter gleich klingen und meist auch gleich geschrieben werden, aber eine unterschiedliche Bedeutung haben. Normalerweise kennt man diese Wörter und verwendet sie so, wie es für den jeweiligen kommunikativen Zweck erforderlich ist.


Schwierig wird es nur, wenn man sich des Unterschiedes zwischen beiden Erscheinungen nicht bewusst ist und sie deshalb verwechselt. Ein Wort, bei dem das im Deutschen auch Muttersprachlern besonders häufig passiert, ist das Verb „hängen“. Hier gehen viele Menschen davon aus, dass es sich um eine Polysemie handelt, die sowohl den Zustand („Das Bild hängt am Haken.“) als auch den Vorgang („Ich hänge die Schlittschuhe an den Nagel.“) bedeuten kann.

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Überlegungen zu Raum und Zeit

Von beim Übersetzen mitunter notwendigen Perspektivwechseln war an dieser Stelle schon die Rede. Diese betreffen häufig objektive Umstände wie Zeitangaben oder räumliche Vorstellungen wie etwa Entfernungen.
So habe ich mich vor vielen Jahren sehr gewundert, als mir meine Moskauer Freunde begeistert erzählten, sie seien von Berlin aus „mit der S-Bahn“ nach München gefahren. Es dauerte eine Weile, bis bei mir der berühmte Groschen fiel – und er tat es sprichwörtlich pfennigweise: Da der Zug, mit dem sie gefahren waren, über keinerlei Schlafwagen verfügte, kam er der russischen электричка deutlich näher als einem поезд, in dem es in der Regel Schlaf- oder doch zumindest Liegewagen gibt. Auch war die Entfernung in ihren Augen nicht der Rede wert, schließlich ist sie ohne eine Übernachtung zu bewältigen, und auch das sieht in Russland zwischen Großstädten meist deutlich anders aus.

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Was gehört wozu?

Die Frage in der Überschrift könnte zu der Vermutung verleiten, in diesem Beitrag gehe es wieder einmal um Possessivpronomina oder sonstige Besitzverhältnisse. Doch weit gefehlt: Das heutige Thema ist eine Formulierung, die mir in deutschen Texten immer wieder auffällt und die ein eindeutiger Beleg dafür ist, dass der jeweilige Verfasser seinen eigenen Satz nicht konsequent zu Ende gedacht hat.
So hörte ich beispielsweise vor Kurzem in einer Fernsehserie den Satz:
„Offenheit zählt zu einer unserer wichtigsten Tugenden.“
Wie, bitte schön, kann etwas zu einer Tugend zählen, das selbst nicht einer ihrer Bestandteile, sondern eine Tugend für sich ist?

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Nobody is perfect – Von Vollendetem und Unvollendetem


Wohl jeder, der Russisch als Fremdsprache bei einem Muttersprachler gelernt hat und selbst bis dato noch nicht mit einer slawischen Sprache konfrontiert gewesen war, hat früher oder später die Frage gestellt, wie man denn den vollendeten Aspekt eines Verbs vom unvollendeten unterscheiden könne, und hat zur Antwort einen Tipp erhalten, der die Sache für ihn nur noch rätselhafter machte: „Sie müssen doch nur fragen: ‚Что делать?‘ oder ‚Что сделать?‘“ Genau an dieser Stelle liegt nämlich der berühmte Hase im sprichwörtlichen Pfeffer. Wenn man nicht gewöhnt ist, in den Kategorien dieser Aspekte zu denken, stellt man diese Fragen erst gar nicht bzw. ist nicht in der Lage, sie für sich automatisch richtig zu beantworten. Deshalb ist das wahrscheinlich auch eine der Fehlerkategorien, an denen man Nicht-Muttersprachler des Russischen, so gut sie die Sprache auch beherrschen mögen, immer wieder erkennt: In einem langen Gespräch rutscht einem dann doch ungewollt irgendwann der falsche Aspekt heraus.

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„Aus der Stille kommt das Wort“ – eine Rezension des Erzählbands „Gesammelte Scherben“

von Ida Häusser

„Aus der Stille kommt das Wort.“ So beginnt eine Geschichte aus Melitta L. Roths GESAMMELTE SCHERBEN. Ja, man muss sich Zeit nehmen, sie zu lesen, und die Stille um sich herum am besten mit dazu. Man muss sich auf die Textbruchstücke einlassen – und wird reich belohnt. Sie erzählen so viel.

Die Geschichten folgen keinem roten Faden. Es ist eine Collage aus Zufällig-Gefundenem und Streng-Gehütetem, aus Achtlos-Fallengelassenem und Mutwillig-Zertrümmertem, feines Porzellan aus der Familientruhe neben schwerem Steinzeug der Dorfleute – alles in tausend Öfen gebrannt. Eleganter Silberrand neben Unheilverheißungen, zarte Rosenranken auf rabenschwarzen Vorahnungen, Surreales mit Blümchenmuster neben dem allzu realen Schnurbart-Konterfei auf den Etiketten der zerschlagenen Wodka-Flaschen. Nichts passt zu einander und doch, und doch: Es ist Teil des Ganzen, des Trümmerfeldes der Russlanddeutschen Geschichte.

„Kintsugi“ heißt eine der literarischen Miniaturen, sie beschreibt die japanische Kunst, zerbrochene Teile beim Zusammensetzen mit Gold zu kitten. Schön wär’s! Die russlanddeutschen Schicksale lassen sich nicht kitten, mit keinem Gold der Welt.

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Zwei, vier oder sechs?


Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser, auch wenn die Überschrift wieder etwas mathematisch klingt, geht es in diesem Beitrag nicht in erster Linie um Zahlen, sondern eher um Mengen, und zwar um die Menge der Partizipien, die uns die einzelnen Sprachen zur Verfügung stellen. Diese kann nämlich durchaus unterschiedlich sein, sodass allein daraus schon Übersetzungsprobleme erwachsen.

Bietet nämlich das Deutsche lediglich zwei Formen, die praktischerweise auch noch als „Partizip I“ und „Partizip II“ bezeichnet werden, gibt es im Russischen gleich vier: das Partizip Präsens Aktiv, das Partizip Präsens Passiv, das Partizip Präteritum Aktiv und das Partizip Präteritum Passiv. Zählt man auch noch die Adverbialpartizipien der Gleichzeitigkeit und der Vorzeitigkeit hinzu, kommt man auf sechs grammatische Erscheinungen, die sich nur in seltenen Fällen mit deutschen Partizipien übertragen lassen.
Dennoch scheint die Versuchung groß zu sein, dies zu tun, wie der folgende Beispielsatz aus meiner Korrektoratspraxis beweist:


Darauf geht der sich in den 1980er-Jahren etablierte Begriff zurück.

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Die Tücken der modernen Technik

Im letzten Blogeintrag hatte ich bereits darüber geschrieben, dass ein frisch gebackenes Brot durchaus von einem frischgebackenen Bäcker stammen kann und dass man deshalb im Duden besonders genau nachsehen sollte.
Dieses Thema möchte ich heute noch einmal aufgreifen, denn inzwischen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es durchaus ein Unterschied ist, welchen Duden man konsultiert: die gute alte Printversion oder die Online-Ausgabe.
So fragte mich vor Kurzem eine befreundete Autorin: „Wenn ein Satz anfängt mit: ‚Ab morgen kannst du …‘, schreibt man dann ‚morgen‘ groß oder klein?“
Ich gebe zu, dass mich diese Frage etwas verwundert hat. Schließlich ist „morgen“ in diesem Fall ein Adverb und wird seit Menschengedenken kleingeschrieben. Daran hat keine Rechtschreibreform der vergangenen Jahrzehnte etwas geändert. Deshalb war meine Antwort auch völlig eindeutig: „Unbedingt klein, wenn es um den Tag danach und nicht um die Tageszeit geht.“

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Buchtipp: „Wie Schatten werden“, Gediche von Lilli Gebhard

Die Biografien unserer Eltern und Großeltern bestimmen unsere Handlungen und Wahrnehmungen auf einer ganz tiefen inneren Ebene. Wenn wir uns unsere Geschichten erzählen würden, fänden wir vielleicht Auswege aus den sich wiederholenden Szenarien. Und vielleicht fänden wir trotz aller Differenzen zueinander. Lilli Gebhard öffnet mit ihren Gedichten einen Raum für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Sie verharrt eine Weile in der Betrachtung des Grauens, spannt dann aber einen Bogen zur Hoffnung und schafft Bilder, in die man sich mit seiner ganz eigenen Geschichte hineinschreiben kann. Inspiriert wurde sie zu dieser Gedichtsammlung durch die Auseinandersetzung mit Texten von russlanddeutschen Mennoniten im Rahmen ihrer Dissertation. In vielen Berichten stieß sie auf leidvolle Lebensgeschichten. Offen blieben allerdings Momente von Trauer, in denen das Erlebte durchfühlt und verarbeitet werden konnte. Dieser emotionalen Seite der Aufarbeitung spürt sie in ihren Gedichten nach.

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Nelly Däs, eine der bekanntesten russlanddeutschen AutorInnen, ist am 18. April 2021 verstorben

(c) Foto: Nina Paulsen

Wir verneigen uns vor ihrer Lebensleistung!

Nelly Däs, geb. am 8. Januar 1930 als Nelly Schmidt in der deutschen Siedlung Friedenstal in der Ukraine, machte sich bereits in den 70er-Jahren einen Namen als erfolgreiche Erzählerin. In der Zeit ihrer aktiven schriftstellerischen Tätigkeit, etwa von 1968 bis 2002, veröffentlichte sie elf Bücher mit russlanddeutschem Themenbezug. Zwei Bücher von ihr wurden ins Englische übersetzt. Ihr großes Anliegen und Ziel war es, die hierzulande kaum bekannte, leidvolle Geschichte der Sowjet- bzw. Russlanddeutschen an die breite Öffentlichkeit zu tragen. Sie hielt zahlreiche Vorträge und Lesungen in Schulen, öffentlichen Einrichtungen sowie im Rahmen von diversen Tagungen und Konferenzen. Am Beispiel ihrer persönlichen, zäsurreichen Familiengeschichte, aber genauso der vielen anderen Familiengeschichten, die sie in ihren Büchern verarbeitet hatte, konnte sie an die Lesenden und Zuhörenden das Schicksal ihrer Ethnie auf eine genauso unterhaltsame wie plausible Art und Weise vermitteln.

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Getrennt oder zusammen?

Liebe Leserinnen und Leser, diejenigen unter Ihnen, die diesen Blog schon länger verfolgen, wissen, dass ich gern aus dem Nähkästchen plaudere, und wie immer dreht es sich dabei auch in diesem Fall nicht um zwischenmenschliche Beziehungen, in denen die in der Überschrift gestellte Frage durchaus von erheblicher Relevanz sein kann. Nein, ich möchte wieder etwas aus meiner Erfahrung beim Lektorieren und Korrigieren von Büchern erzählen, die in deutscher Sprache geschrieben wurden und erscheinen.


Seit der Rechtschreibreform der 1990er-Jahre habe ich, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, das Problem, dass ich viel häufiger im Duden nachschlagen muss als früher, weil einige der Regeln, die knallhart galten, als ich noch zur Schule ging, inzwischen aufgeweicht oder durch andere, undurchsichtigere, ersetzt wurden, die zudem auch in neueren Duden-Ausgaben wieder geändert wurden. Dennoch verhilft mir auch diese Notwendigkeit immer wieder zu neuen Erkenntnissen, von denen ich einige gern mit Ihnen teilen möchte.

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